Irre lustig mit Musik

Abgefuckt und süß: Das Berliner Label Baby Satan präsentiert sich mit einer Nacht im Schokoladen

Auf Baby Satan gibt es alles von thrashigem Garagenrock bis hin zu Experimentalelektronik

Von Andreas Hartmann

Baby Satan, das ist schon ein sehr spezieller Name für ein Plattenlabel. Genial oder doch einfach bloß so richtig drüber, man bleibt da ein wenig unentschieden. „Wir sind jedenfalls keine Satanisten oder so etwas“, stellt Adi Koom, eine der beiden Labelbetreiberinnen, gleich mal klar. „Der Name ist so eine Art Witz, der größtmögliche Abgefucktheit mit etwas Süßem zusammenbringen soll.“ Dagegen, irgendwann mal selbst so etwas wie ein Kult zu sein, hätte sie freilich nichts. Church of Baby Satan vielleicht.

Seit fünf Jahren lebt Adi Koom inzwischen in Berlin, erzählt sie. Vorher wohnte sie in Jerusalem. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Paz Bonfil, die aus Tel Aviv kommt, hat sie vor gut einem Jahr das Label gegründet, im Februar wird einjähriger Geburtstag gefeiert. Als zwei „zugekiffte Cheerleader“ bezeichnen sich die beiden Plattenfirmenbetreiberinnen selbst auf ihrer Bandcamp-Seite, ein gemeinsames Bandprojekt, Jealous, haben sie auch.

Auffallend ist, dass hier gleich mal groß gedacht wird. Zum Einstand gab es eine Labelcompilation, womit eine erste Duftmarke gesetzt wurde, und inzwischen ist Baby Satan dabei, den Berliner Underground gehörig aufzumischen. Kaum ein Monat, in dem vor allem in der 8MM Bar in Mitte oder im Schokoladen nicht irgendeine Baby-Satan-Veranstaltung laufen würde.

Einen klar definierten Sound gibt es nicht. „Wir mögen die Einteilung in Genres nicht“, erklärt Adi Koom. Deswegen gibt es auf Baby ­Satan alles von thrashigem Garagenrock bis hin zu eher kaputter Experimentalelektronik. Wobei das ja auch schon wieder der Versuch wäre, Genres zu definieren. Und tatsächlich: Baby-Satan-Sound zeichnet sich eher dadurch aus, dass er den Garagenrock und die Elek­tronik oder was auch immer sonst noch so ­zusammenbringt, dass etwas entsteht, was man überhaupt nicht mehr kategorisieren kann.

So wie das zum Beispiel, was Adi Koom unter ihrem Projektnamen Dane Joe beim Label­abend von Baby Satan am Donnerstagabend im Schokoladen zum Besten gab. Sie stand da mit ihrer Gitarre und vor ihrem Laptop und einem Drumcomputer und breitete ihren verwehten Neo-Goth – doch wieder so ein Genre-Begriff! – im ziemlich vollen Schokoladen aus. Ausdruckslos hauchte sie eher, als dass sie sang, den ganzen Auftritt über verzog sie keine Miene, und man dachte an Suicide und Siouxsie gleichzeitig. Abgefuckt und süß, man verstand jetzt etwas besser, was Adi Koom damit meint.

Gleich danach war aber auch schon wieder alles ganz anders. Und es wurde klar, dass bei Baby Satan wirklich alles möglich ist. Auftritt: Adi Gelbart. Auch er kommt aus Israel, aus Tel Aviv, und lebt inzwischen seit ein paar Jahren in Berlin. Er begann seinen Auftritt damit, in sein Tenorsaxofon zu blasen. Daraus entstand ein Loop mit Saxofontönen, zu dem sich bald gesampelte Jazz-Drums gesellten. Man dachte schon an Free Jazz im Zeitalter der digitalen Möglichkeiten, bis klar wurde, dass die Reise in eine ganz andere Richtung gehen wird. Aus dem Jazz wurde bald elektronische Cartoon-Musik, durchgeknalltes Elektronikgeklimper, Musik wie von einem anderen Planeten, Sun Ra trifft auf Felix Kubin.

Dazu kamen irre lustige Visuals mit Lego­figuren im Weltall, einem Rochen auf LSD und einer Art Kochshow, bei der ein Gericht zubereitet wurde, dessen Zutaten darauf schließen ließen, dass es ähnlich schrecklich schmecken dürfte, wie es aussah. Der Mann, nicht nur ­Musiker, sondern auch Künstler und Buchautor, hat ganz offensichtlich Humor. Auch deswegen passt er so gut zu Baby Satan.