wortwechsel
: Es muss bedingungslose Sozialleistungen geben

„Gegen das Umsonstversprechen“ bei den Kitas schrieb taz-Redakteur Ulrich Schulte. Kommt drauf an, meinen taz-Lesende. Und noch ein Appell für die Erhaltung der Papier-taz

Kita-Interieur mit elternfinanzierten ­Zahnbürsten Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Das wäre gerecht

„Populär, aber nicht durchdacht“, taz vom 2. 1. 2019

In seinem Kommentar meint Ulrich Schulte, dass die Kita-Gebühren meist nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt sind. Dem ist zumindest im Südwesten der Republik (Baden-Württemberg) nicht so. Vielmehr sprechen die kirchlichen und kommunalen Verbände im Frühjahr jeden zweiten Jahres neue Empfehlungen zur Höhe der Kindergartenbeiträge aus, die nur die Kinderzahl, aber nicht das Elterneinkommen berücksichtigen.

Das führt zu absurden Ergebnissen und ist wenig solidarisch: Nach der derzeitigen Regelung in den meisten Kommunen in Baden-Württemberg zahlt der Arzt mit zwei Kindern weniger als die bei ihm angestellte alleinerziehende Arzthelferin mit einem Kind. Daher muss gelten, dass das gesamte Familieneinkommen durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt wird und dieser Betrag maßgeblich für die Einstufung ist. Das wäre wirklich gerecht.

Ungerecht ist auch, dass meist nur minderjährige Kinder berücksichtigt werden. Erforderlich ist aber, dass alle kindergeldberechtigten Kinder maßgeblich für die Gebührenhöhe sind. Auch fehlt eine Art „Mengenrabatt“. Es gibt eben keinen Nachlass, wenn zwei oder gar drei Kinder einer Familie den Kindergarten besuchen. Beim Kindergarten handelt es sich nicht mehr um bloße Betreuung, sondern um Bildung. Und Bildung muss von Beginn bis Ausbildungsabschluss kostenfrei sein. Das ist eine gesamtgesellschaftliche und keine kommunale Aufgabe. Der Besuch des Kindergartens ist wichtig für das Kind, für die Eltern, aber auch für die Gesellschaft. Die Kosten muss die Gesellschaft insgesamt und solidarisch tragen, dazu zählen natürlich auch Eltern als Steuerzahler.

Und da ist es wirklich ärgerlich, dass die grün-rote Landesregierung, kaum an der Macht, anno 2011 die Studiengebühren abgeschafft, aber die Kostenpflicht bei den Kindergärten beibehalten hat. Natürlich muss ein Studium zunächst kostenfrei sein, damit der Zugang zur Hochschule nicht aus finanziellen Gründen erschwert wird. Eine Lösung wären nachgelagerte Studiengebühren. Konkret: zunächst kostenfreies Erststudium und Studienabgabe an die Hochschule erst mit dem Einkommen nach Studienabschluss ab einer gewissen Einkommenshöhe. Denn immerhin verdienen Akademiker regelmäßig weit mehr als der Durchschnittsarbeitnehmer, der aber dem Akademiker seine Bildung mit ermöglicht hat.

Aber wenn zwischen Kindergarten und Hochschule aus wirtschaftlichen Gründen gewählt werden muss, dann muss der Beginn des Bildungswegs, der kostenfreie Kindergarten, Priorität haben. Hier werden die Voraussetzungen für den weiteren Bildungsweg geschaffen. Hendrik Lüdke, Marbach am Neckar

Entwürdigend

„Populär, aber nicht durchdacht“

Ich freue mich über jede Entscheidung unserer Regierung und des Bundestags, die die Bevölkerungsschichten mit unterem und mittlerem Einkommen unmittelbar und sofort bedingungslos begünstigt. Das gilt für das Kindergeld, die Mütterrente, gebührenfreie Schulbildung und Unistudium, den Mindestlohn, höhere Steuerfreibeträge ebenso wie für eine „Gratis-Kita“. Gerade weil eine faire Umverteilung durch höhere Versteuerung von besonders hohen Einkommen aufgrund der politischen Mehrheitsverhältnisse auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist.

Dass die Superreichen durch solche Entscheidungen ebenfalls begünstigt werden, wird als populistisches Totschlagargument benutzt. Wer jemals einen Bafög-Antrag ausgefüllt hat, weiß, wie entwürdigend es ist, wenn staatliche Leistungen nicht bedingungslos gewährt werden. Ebenso entwürdigend ist es, wenn Eltern gegenüber einer Kita ihre ärmlichen Einkommensverhältnisse offenlegen müssen. Die SPD wäre gut beraten, offensiv für gerechte Umverteilung durch höhere Spitzensteuersätze, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer zugunsten bedingungsloser Sozialleistungen für die ärmere Bevölkerung einzutreten.

Peter Schaefer, Reutlingen

„Nein, machen wir nicht“

„Populär, aber nicht durchdacht“,

Ulrich Schulte hat es also durchdacht. Die CDU und ihre eigenartige CSU sagen zu allem, was Kindern und Menschen mit wenig Einkommen zugutekommt: Nein, machen wir nicht! Also auch keine kostenlosen Kitas. Und weil diese Betonpartei sich keinen Millimeter für eine gerechtere Welt bewegen will, sollen die Sozialdemokraten sich eben fügen. Die Liste der Dauerblockaden durch diese Verhinderer wird immer länger – der Skandal um die unselige Beibehaltung des Paragrafen 219 a ist ja erst ein paar Tage her und keineswegs vergessen, die unaufgeklärten Milliardenverluste durch kriminelle Cum-Ex-Betrügereien sind mal gerade einige Wochen her. Es wird höchste Zeit, klar zu sagen, wer hier immer wieder verhindert. Uwe Barkow, Frankfurt am Main

Gar nicht grottig

„Populär, aber nicht durchdacht“,

Liebe Redakteurinnen (männliche Form ist hier mit drin), ich lese in der taz immer wieder ähnliche Sätze wie im obigen Artikel: „Erzieherinnen sind lachhaft schlecht bezahlt!“ Ein Blick in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Sozial- und Erziehungsdienst (TVöD SuE) ergibt folgendes Bild: Erstgehalt als Berufsanfängerin in 8a etwa 2.500 Euro monatlich. Finde ich nicht grottig für Menschen, die einen mittleren Schulabschluss vorweisen und 3 Jahre eine Berufsfachschule besucht haben.

Ferner muss man auch die Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes mit berücksichtigen, als da wären geregelter Urlaub, jedes Jahr mehr Gehalt, automatischer Wechsel in die höheren Erfahrungsstufen, kein Jobverlust bei Krankheit. Vergleicht man diese Eingruppierung mit anderen Berufen des öffentlichen Dienstes, sind Erzieherinnen sehr gut gestellt. Zum Beispiel kommen in TVöD 9c nur Menschen mit Abitur und abgeschlossenem Hochschulstudium (Master oder Diplom). Das Anfangsgehalt beträgt 2.900 Euro.

Fazit: Wenn Erzieherinnen höher gestuft werden sollen, muss dann auch das übrige Tarifgefüge angepasst werden. Stichwort: Tarifgerechtigkeit. Ich kann mir vorstellen, dass die Gewerkschaften dies Fass nicht aufmachen möchten.

Dagmar Gutzeit, Norderstedt

Knuddelt euren Ralf

„Debatte ‚Mit Rechten reden‘: Nicht naiv Testballons jagen “, taz vom 28. 12. 18

Hallo liebe taz, vor allem lieber Ralf Sotscheck, eine treffendere Analyse der verkorksten politischen Situation auf der ja mittlerweile wirklich ganzen Welt habe ich lange nicht gelesen. Wer sich immer noch wundert, wieso die neuen Rechten derartigen Zulauf genießen, kann sich hier die Prozesse sehr schön klar machen.

Dazu braucht es nicht mal die unerträglichen Talkshows – die zum Glück endlich mal die AfD etwas kleiner halten. Unser Online-Lokalblättchen veröffentlicht doch gerade am zweiten Weihnachtstag eine Pressemitteilung eines der hiesigen Erzfaschisten unter dem Titel „Winterhilfe der AfD“. Die Begrifflichkeit lässt tief blicken in den braunen Sumpf des Wiederauflebens des überwunden Geglaubten.

Liebe taz, knuddelt euren Ralf und lasst ihn mehr schreiben. Martin Henn, Sensenbach

Er war kein Antisemit

„Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Der Waldörfler Knieschuss“, taz vom 24. 12. 18

Sehr geehrter Herr Küppersbusch, Ihre bissigen Kommentare sind erfrischend. Satire sollte aber realistische Grundlagen haben, und da irren Sie im Fall Rudolf Steiner: Er war kein Antisemit, schon gar nicht ein glühender.

Das ist inzwischen nach einer langen Debatte und mehreren Studien erwiesen und wird auch in einer explizit jüdischen Quelle differenziert dargestellt: www.hagalil.com/antisemitismus/deutschland/steiner-7.htm. Karl-Reinhard Kummer, Berlin