Lehrerpranger auch im Osten

In Sachsen und Sachsen-Anhalt hat die AfD Meldeportale eingerichtet und damit heftige Kritik erregt

Auf welche Resonanzdie Denunziationsportale stoßen, ist von der AfDnicht zu erfahren

Aus Dresden Michael Bartsch

Die AfD macht auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt gegen politisch „nicht neutrale“ Lehrer mobil. Wie schon in Hamburg, Berlin, Baden-Württemberg oder jüngst in Niedersachsen wurde auch in den beiden ostdeutschen Bundesländern ein Portal eingerichtet, auf dem Schüler Lehrer verpetzen sollen, die angeblich ihre Neutralitätspflicht verletzen. Auch wenn die AfD dies abstreitet.

„Wir haben ausdrücklich klargemacht, dass wir keine Lehrernamen haben wollen, sondern lediglich die Fälle“, stellt Andreas Harlaß, Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, klar. Aus den erforderlichen Angaben beim „Lehrer-SOS“-Portal von Jahrgang und Unterrichtsfach lässt sich aber der Name eines Lehrers unschwer ermitteln. Schließlich soll in dem Kontaktformular nicht nur der akute Vorfall geschildert,sondern auch der Name der Schule angegeben werden. Auch beim Pendant im Nachbarbundesland, dem „Meldeportal Neutrale Schule Sachsen-Anhalt“, sollen neben der Schule auch das Fach und der Jahrgang angegeben werden.

In Baden-Württemberg war ein solches Meldeportal Mitte Oktober schon nach wenigen Stunden durch eine Hackeraktion der Piratenpartei lahmgelegt worden. Sie kehrte den Spieß um und appellierte unter der Überschrift „Mein Abgeordneter hetzt“, Zitate von AfD-Mitgliedern anzugeben. Zehntausende folgten diesem Aufruf und blockierten so die AfD-Seite. Ziel sei es gewesen, „die menschenverachtenden Ideen der AfD aufzuzeigen“, sagte der Piraten-Landesvorsitzende Michael Knödler.

Eine ähnliche Aktion kam kürzlich von 60 Lehrenden der Pädagogischen Fakultät Leipzig. Sie zeigten sich selber bei der AfD an und verfuhren damit ähnlich wie zwei Schulen in Berlin. Selbstverständlich werde man die Lehramtsstudenten und ihre künftigen Schüler weiterhin dazu anregen, sich ein „Bild über den Charakter der AfD“ zu machen. Den Charakter der AfD-Anzeigenaktion nennt ein offener Brief der Dozenten beim Namen, wenn er von einer „Denunziationsliste“ spricht. Auf dieser werde man gern erscheinen. „Aus der Geschichte wissen wir, was mit Denunziation und Einschüchterung beginnt“, warnen die Pädagogen. Die AfD-Landtagsfraktion Sachsen lud sie daraufhin zu einem Gespräch ein, um „Pauschalaussagen“ und „Anschuldigungen“ zu widerlegen.

Eine Verbindung zwischen der Geschichte und dem, was uns nach einem weiteren Durchmarsch der AfD etwa bei der Landtagswahl in Sachsen im kommenden Jahr erwarten könnte, stellte auch der Thüringer Kultusminister Helmut Holter (Linke) her. Solches Vorgehen erinnere ihn an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945 und gehe überhaupt nicht, sagte Holter. Auch sein sächsischer Kollege Christian Piwarz (CDU) bezeichnete das Meldeportal als „ekelhafte Gesinnungsschnüffelei“. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) stellte sich hinter die Lehrenden. Mit solchen Aktionen werde gerade das parteipolitische Neutralitätsgebot ausgehebelt, kritisiert der Sächsische Lehrerverband. Vorsitzender Jens Weichelt spricht sogar von „Stasi-Methoden“. Der „Beutelsbacher Konsens“ der politischen Bildung verbiete zwar politische Indoktrination von Schülern, nicht aber meinungsbildende Kontroversen. Der Juristische Dienst des Landtags von Sachsen-Anhalt hat inzwischen in einem von den Grünen bestellten Gutachten festgestellt, das Portal verstoße wahrscheinlich gegen europäisches Datenschutzrecht.

Auf welche Resonanz die Denunziationsportale stoßen, ist von der AfD nicht zu erfahren. In Dresden verweist man auf den Datenschutz. In Sachsen-Anhalt lehnt es AfD-Bildungspolitiker Thomas Tillschneider ab, taz-Fragen zu beantworten. Zu gegebener Zeit werde man sich zu Ergebnissen äußern.

Dunkel finden die AfD-Aktion auch Schüler eines Dresdner Gymnasiums. Man muss sie allerdings extra darauf ansprechen, denn im Schulalltag spiele der Lehrerpranger „überhaupt keine Rolle“, heißt es.