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: Nordkorea und China basteln an gemeinsamer Strategie

Für vier Tage ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un auf Staatsbesuch in Peking. Alles deutet darauf hin, dass es um Vorbereitungen für einen neuen Gipfel mit Donald Trump geht

Das Neue

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat es mal wieder geschafft, die Welt zu überraschen. Mit dem berühmten dunkelgrün gepanzerten Luxuszug, mit dem schon sein Vater und Großvater nach Moskau oder Peking reisten, ist Kim Jong Un am Dienstag in der chinesischen Hauptstadt zum Staatsbesuch eingetroffen. Nordkoreas amtliche Nachrichtenagentur KCNA bestätigte, dass Kim gemeinsam mit seiner Frau Ri Sol Ju und anderen ranghohen Funktionären auf Einladung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping für vier Tage auf Staatsbesuch sei.

Der Kontext

Worüber Kim und Xi am ersten Tag geredet haben, teilten sie nicht mit. Experten vermuten, dass es beiden um eine strategische Abstimmung geht. Denn die Anzeichen verdichten sich, dass ein zweiter Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump unmittelbar bevorsteht. Trump hatte schon am Wochenende entsprechende Gerüchte bestätigt. „Es wird möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft verkündet“, sagte der US-Präsident. Nur über den Ort werde noch verhandelt. Im Gespräch ist Vietnam, wo sich Unterhändler beider Länder bereits in den vergangenen Tagen getroffen haben.

Ein halbes Jahr nach dem von beiden Seiten euphorisch gefeierten USA-Nordkorea-Gipfel in Singapur, dem ersten Treffen eines nordkoreanischen Machthabers mit einem amtierenden US-Präsidenten, stockten die Verhandlungen zuletzt. Washington fordert von Pjöngjang, dass es unabhängige Kontrolleure ins Land lässt, damit diese sich ein genaues Bild über Nordkoreas Atomarsenal machen können. Kim behauptet, sein Land habe bereits die ersten Schritte getan und Anlagen schließen lassen. Er fordert im Gegenzug eine Lockerung der Sanktionen.

Die Reaktionen

Südkoreas Präsidentensprecher Kim Eui Kyeom begrüßte die China-Reise des nordkoreanischen Machthabers. Südkorea verbinde damit die Hoffnung auf eine vollständige Denuklearisierung und einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel.

Die Konsequenz

Tatsächlich könnte der chinesischen Führung in dem Konflikt nun eine Schlüsselrolle zukommen. Cheong Seong Chang, Nordkorea-Experte am Sejong Institute in Seoul, vermutet, dass Kim und Xi gemeinsam an einer Strategie arbeiten, die Trump zufriedenstellen soll. Ein mögliches Szenario: die Verlegung von Nordkoreas Interkontinentalraketen nach China, wobei die Atomsprengköpfe in Nordkorea blieben. Die Gefahr eines unmittelbaren nuklearen Angriffs auf US-Territorium wäre auf diese Weise gebannt. Nordkorea könnte sich aber weiter als Atommacht bezeichnen.

Auch Trump scheint China aktiv in die Verhandlungen einbinden zu wollen. Er hat Peking mehrfach aufgefordert, Nordkorea von der Aufgabe seiner Waffenprogramme zu überzeugen, und er deutete an, im Gegenzug im Handelsstreit auf China zuzugehen. Auch wenn diese beiden Themen eigentlich nichts miteinander zu tun haben – der Verhandlungsspielraum hat sich auf diese Weise erweitert.

Felix Lee, Peking