Großes Tennis mit Bromance

Das Houseduo The Blaze war 2018 auf vielen Bestenlisten platziert. Was ist dran am Hype?

Ihre Videos begeistern, ihr Sound ist fad: Das Pariser Duo The Blaze Foto: Benjamin Loyseau

Von Stephanie Grimm

Über „Dancehall“ zu reden, das im Herbst erschienene Debütalbum von The Blaze, ohne dabei die Videoarbeiten von Guillaume und Jonathan Alric zu erwähnen, scheint unmöglich. Dabei haben die zwei Kurzfilme der französischen Cousins – „Virile“ und der Nachfolger „Territory“ – nichts mit dem Album zu tun: Die Songs erschienen bereits 2017. Ob ihr stimmungsvolles, aber auch latent langweiliges Album, das den French House der neunziger Jahre mit modernen Produktionsmitteln zitiert, ohne das kinematografische Talent der beiden Männer in so vielen Jahresbestenlisten auftauchen würde – man darf es bezweifeln.

Mit „Terrority“, dem grandios atmosphärischen Film über einen jungen Migranten auf Heimaturlaub in Algerien, erreichte das Duo aus Paris YouTube-Klickzahlen im zweistelligen Millionenbereich. In Cannes bekamen sie dafür einen Löwen verliehen. Der Low-Budget-Vorgänger „Virile“ hatte ebenfalls für Aufmerksamkeit gesorgt: eine minimalistisch in Szene gesetzte Bromance zwischen zwei Typen, die in einer Hochhauswohnung abhängen, tanzen, kiffen und sich kabbeln. Die brodelnde Intimität zwischen den beiden verpufft selbst beim wiederholten Gucken nicht.

Die Videoclips von The Blaze sind also wirklich großes Tennis. Sie werfen einen frischen Blick auf junge (nicht nur) französische Männer mit (arabischem) Migrationshintergrund, die häufig als gesellschaftliches Problem wahrgenommen werden: Stichwort toxische Männlichkeit. Man durfte also durchaus gespannt sein, was die Cousins zu erzählen haben, als sie im Herbst auf Promotour waren. Guillaume machte schon vor The Blaze Musik, Jonathan studierte Film in Brüssel. Trotz ihres unterschiedlichen Backgrounds gibt es keine Rollenverteilung, beide sind für Bild und Musik gleichermaßen zuständig.

Leider erfährt man im Gespräch mit den beiden jenseits von Allgemeinplätzen kaum, was sie umtreibt. Die Menschen hätten Angst vor Typen wie ihren Protagonisten, sagt Guillaume. Sie selbst arbeiteten an einem Gegenentwurf zum Klischee. Haben sie den Eindruck, junge Männer müssen als gesellschaftliche Sündenböcke herhalten? „Wir wollen einfach das Menschliche zeigen.“ Hm, irgendwie wirkt das weniger komplex und dringlich als ihre Bilder. Eine „good nostalgia“ schwebe ihnen vor, ein Gefühl des Aufgehobenseins, erklärt Jonathan. „Wie der Regen ans Fenster prasselt und man im Bett liegt“, fügt Guillaume hinzu.

Tatsächlich mutet der Sound von „Dancehall“ etwas gleichförmig an, wie der erwähnte Regen. Die Songs sind eingängig, aber wenig unterscheidbar. Die mit Autotune tiefergelegten Stimmen der beiden klingen fast identisch und unbeteiligt. Die Bässe wummern, doch es liegt ein Wattekokon um den monochrom-maximalistischen Sound.

Auch wenn sie behaupten, dass sie beim Basteln an den Tracks die Situation vor Augen hatten, dass man zusammen auf dem Sofa abhängt, und ab und zu springt einer auf und tanzt, klingt ihr Sound nach großen Festivalbühnen. The Blaze scheinen interessanter, wenn sie auf Ambivalenz setzen, wie in ihren Bildern. Nicht auf Überwältigung, wie in ihren Sounds.

Im Interview sagen die beiden dann noch: „Identitätsdiskurse interessieren uns nicht“ – in Zeiten wie diesen durchaus erfrischend. Denn natürlich, wie könnte es anders sein, wurden sie der kulturellen Aneignung bezichtigt. Der algerische Hintergrund, auf den in „Territory“ Bezug genommen wurde, ist nicht ihr eigener.

The Blaze: „Dancehall“ (Animal 63/Believe). Live: 5. März, Tonhalle München; 18. März, Columbiahalle Berlin