Verloren im Knick

Randständiges in Serie (1): In der Squash-Bundesliga ist Cadillac Eschweiler Krefeld unterlegen. Eine Partie voller Finesse und mit einem Profi in Zeitnot

Konzentriert: Julian Kischel holt zum großen Schlag für Cadillac Eschweiler aus Foto: Andreas Bücksteeg

Aus Eschweiler Bernd Müllender

Bevor es losgeht, hat der Hallensprecher eine wichtige Botschaft: das Duell der beiden Top-Kräfte werde nicht am Ende gespielt wie üblich, sondern vorgezogen, weil „der Spieler unseres Gegners seinen Flieger kriegen muss“. Die Rede ist vom Franzosen Baptiste Masotti, der eilig nach Marseille will. Er spielt bei Turnhalle Niederrhein aus Krefeld und ist heute bei Team Cadillac Eschweiler zu Gast. Wir sind in der 1. Squash-Bundesliga, Gruppe Nord.

Squash, das abwechselnde, wuchtvolle Peitschen des kleinen Gummiballs gegen die Stirnwand, ist pure Dynamik und viel mehr Finesse, als man glaubt. Am fiesesten sind die Bälle, die im Spielkasten hinten tot in den Knick fallen, kaum retournierbar. Squash ist manchmal auch ein fieser Kontaktsport – wenn ein Spieler bei der Hatz im Kasten dem anderen im Weg steht: Ist das Let, also Ballwiederholung, oder fahrlässige Behinderung, Punkt für den anderen? Gespielt werden vier Einzel, best of five, ein Satz geht bis 11.

Die Wettkampfstätte in Eschweiler bei Aachen hat bizarre Züge. Fast 100 ZuschauerInnen sind ins weitläufige Cadillac Center („Freizeit. Fitness. Charme“) gekommen, Eintritt frei, Spielcourt mit Plexiglasfront, davor Holzstühle, wärmende Decken, Bewirtung am Platz. Spielbegleitend schwitzen schräg hinter dem Court Hobbysportelnde auf dem Laufband oder an der Armpresse. Hallen-Tennisplätze und Badminton sind gegenüber, die Sauna darüber.

Schiedsrichter sind keine da; das komme bisweilen vor, wird berichtet. Also müssen Aktive beider Teams ran. „Das läuft meist sehr gut“, sagt ein Zuschauer, „dann fangen die Spieler nicht so oft das Diskutieren an.“ Kennen wir, sagen wir, aus der Bunten Liga im Fußball, wo man sich auch untereinander einigt: „Schiedsrichter sind ja eh nur zum Bescheißen da.“

In den meisten Bundesligateams spielen zwei einheimische Amateure und zwei Profis. Solche Cracks wie Krefelds Baptiste (Weltrangliste Platz 71) treten zudem in ein oder zwei weiteren Ligen in Europa an. Die jeweils 300 oder 500 Euro Startgeld (plus Spesen) sind für die Squash-Einzelunternehmer das Basiseinkommen und das Ligamatch eine Frage von Ehrgeiz und sportlicher Ehre. Um Weltranglistenpunkte geht es nur bei den großen Turnieren und, wenn man vorn ist, um vier- bis fünfstellige Preisgelder.

Die Ligaspiele finden je nach Land an anderen Wochentagen statt, damit die besten Cracks durch den Kontinent shuttlen können. In Deutschland finden wegen der Reisekosten zwei Wettkämpfe an einem Wochenende statt.

Beide Gegner heute haben den örtlichen Energieversorger als Hauptsponsor, dazu hier mal ein Hotel für freie Übernachtung fern angereister Gegner oder ein Autohändler, der einen Neunsitzer für Auswärtsreisen zur Verfügung stellt (gut 4.000 Kilometer pro Saison). Die Jahresetats betragen 20.000 Euro hier, bzw. 20.000 bis 30.000 dort, die Bayern Münchens der Squashszene kommen auch auf 100.000. Der Rest ist Idealismus.

Der Würzburger Simon Rösner ist derzeit Weltranglistendritter, die beste Platzierung ever für einen Deutschen

Dafür steht etwa der gebürtige Eschweiler Marco Schoeppers. Er spielt an Position 3 (und verliert heute), direkt danach muss er durchgeschwitzt mit seinem Gegner schiedsrichtern, er ist zudem Sprecher, Teammanager, „und die Kasse bin ich auch“. Als gelernter Sport- und Fitnesskaufmann wirkt er dazu als Hallen-Schwiegermanager: Dem Vater seiner Freundin gehöre die Multifunktionsrena. Und der Name Cadillac? Habe nur über Bande mit der Automarke zu tun: „Das soll ein Lebensgefühl ausdrücken, cool, USA der 50er Jahre …“

Eine Wertschätzung für Squash findet kaum statt in der Fußballrepublik Deutschland: Lokale Medien gönnen ihm nur gelegentlich ein paar karge Zeilen, Fernsehen bleibt fern. Auch im großen Rahmen: In der Weltrangliste, von Ägyptern dominiert (sechs unter den besten zehn), ist der Würzburger Simon Rösner, derzeit Weltranglistendritter, die bei weitem beste Platzierung ever für einen Deutschen. Bei den World Games (dem Welttreffen der nichtolympischen Sportarten) 2018 in Breslau „stand der sogar im Finale“, erzählt Schoeppers, „und was kommt im Fernsehen gleichzeitig: ein langes Gespräch über Tontaubenschießen oder Biathlon“. Rösner holte Gold – ungesehen.

Das finale vierte Match hätte Eschweiler bei 1:2-Rückstand 3:1 gewinnen müssen, dann hätten sie bei 2:2 ein, einmalig in der Sportarithmetik, „gewonnenes Unentschieden“ erzielt – wegen der besseren Satz- respektive Punktausbeute insgesamt. Der Krefelder Crack gewann aber 3:1, Endstand somit nach gut 3 Stunden auch 3:1. Baptiste Masotti war da schon in Düsseldorf beim Einchecken.

Morgen startet die Welttour der Professional Squash Association in der höchsten Platin-Serie. Ausgetragen wird das Turnier, ein ziemliches Spektakel, in einem durchsichtigen Glaskubus im Terminal der Grand Central Station in Manhattan mit Simon Rösner. Niemand wird berichten.