Der lange Weg zur Aussöhnung

Der Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland geht auf tiefsitzende historische Verletzungen zurück

Aus Split Erich Rathfelder

Die Abstimmung im griechischen Parlament ist zwar geschafft, aber der Weg bis zur endgültigen Beilegung des Streits ist noch weit. Die Abgeordneten müssen das vorliegende Abkommen mit der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien noch ratifizieren, um dann dem nördlichen Nachbarstaat die Bezeichnung Nord-Mazedonien zuzugestehen. In beiden Ländern kämpfen die konservativen und nationalistischen Kräfte weiterhin gegen dieses Abkommen, das den leidigen Namensstreit endlich beilegen könnte.

Denn es geht um viel mehr als nur einen Namen. Mit der Beilegung des Streits würde Nord-Mazedonien der Weg in die EU und in die Nato geebnet. Das will die frühere Regierungspartei des ehemaligen Parteichefs Nikolas Gruevski VMRO-DPMNE mit allen Mitteln verhindern – und hat damit die Unterstützung aus Moskau. Vor allem die Nato-Mitgliedschaft wäre für die Balkanpolitik Putins eine offene Niederlage.

Dass ausgerechnet die beiden linken, der Sozialdemokratie verbundenen Regierungschefs, Zoran Zaev in Mazedonien und Alexis Tsipras in Griechenland, diesen Schritt hin zum Frieden, zum Ausgleich und zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit geebnet haben, ist erstaunlich, weil auch linksnationalistische Splitterparteien diesen Kurs ablehnen. Dem linken Hoffnungsträger Zoran Zaev ist es bereits gelungen, am 11. Januar eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zu organisieren. Gelegen kam ihm, dass seit dem Machtwechsel die Justiz in Skopje nicht mehr zögert, die Führungsschicht der VMRO mit Korruptionsprozessen zu überziehen. Die Nationalisten beider Seiten fürchten den Wegfall des jeweiligen Feindbildes. Sie tun alles dafür, den Streit zwischen beiden Nationen zu schüren.

Die im Zentrum von Skopje aufgebaute riesige Alexander-Statue, der Alexander-Flughafen und die Alexander-Autobahn zeugen von dem Versuch der Skopje-Nationalisten, den griechisch-makedonischen Helden Alexander für eine Nationalgeschichte der slawischen Mazedonier zu benutzen. Der Geschichtsklau hat die griechische Seite zu Recht in Rage gebracht.

Doch auch sie hat ihre dunklen Kapitel zu bewältigen. Seit 1945 hat Griechenland die slawische Bevölkerung nördlich von Thessaloniki in brutaler Weise quasi assimiliert: Die slawische Sprache wurde verboten und die kommunistischen Widerständler in den Reihen der in Nordgriechenland lebenden Slawen verfolgt. Wenn in Griechenland behauptet wird, die slawischen Mazedonier wollten die griechische Landschaft Makedonien okkupieren, dann hat das auch damit zu tun, dass die komplexe Geschichte in Griechenland verdrängt wurde. Das könnte mit dem Abkommen anders werden und endlich einen Aussöhnungsprozess anstoßen.

Zaev und Tsipras stehen für eine solche Politik. Bleiben noch die Albaner in Nord-Mazedonien. Sie haben sich hinter Zaev gestellt, weil die Integration in die Nato und die EU auch in ihrem Interesse ist. Innenpolitisch hoffen die albanischen Parteien, dass mit Zaev auch die Hindernisse für die vollständige Umsetzung des Abkommens von Ohrid 2001 beseitigt werden können. In diesem Abkommen sind den Albanern weitreichende Minderheitenrechte versprochen worden. Die Reaktionen aus Brüssel und Berlin fallen bisher positiv aus. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel vor wenigen Tagen Athen besuchte, wird auch in Skopje wohlwollend bewertet. Unklar ist die künftige Haltung der USA. Noch stützt die US-Regierung die Politik von Tsipras und Zaev. Doch die unberechenbaren Aktionen des US-Präsidenten Donald Trump lassen Vertrauen schwinden.