berliner szenen
: Pirouetten der Polizisten

Ich glaube, die Ampelanlage am Königstor wird von einem Verkehrspostensyndikat manipuliert. Es ist auffällig, wie oft sie ausfällt. Und es ist auch auffällig, mit welcher Freude die Verkehrsposten am Königstor ihrer Arbeit nachgehen. Sie sind immer zu viert auf der Kreuzung, plus zwei Ersatzpolizisten, die in geparkten Streifenwagen warten, falls einer ihrer Kollegen einen Krampf im Arm oder im Oberschenkel bekommen sollte.

Wie sie sich wohl verabreden? Ob es konspirative Treffen in einem Hinterzimmer einer Kreuzberger Eckkneipe gibt? Jeden zweiten Mittwochabend im Monat? Oder ob sie sich ganz profan per Handy verabreden? Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass sie schon da sind, bevor die Ampelanlage ausfällt.

Mit berückender Leichtigkeit dirigieren sie eine wilde Mischung aus Autos, Fußgängern, Motorrädern, Bussen, Straßenbahnen, Fahrrädern, Lastwagen und Joggern. Manchmal lässt sich einer von ihnen zu einer Pirouette oder einer kleinen Verbeugung hinreißen. Gleichzeitig strahlen sie aber auch eine gewisse aristokratische Würde aus, wie man sie von den Palastwachen des Buckingham Palace kennt. Die Verkehrsposten machen ihre Arbeit so gut, dass es zu keinerlei Staus oder Verzögerungen kommt. Der Verkehr scheint sogar flüssiger und natürlicher zu fließen als mit Ampelanlage.

Ich beobachte das seit ein paar Wochen, und mittlerweile freue ich mich, morgens auf die Kreuzung am Königstor mit dem Fahrrad zuzufahren. Noch mehr freue ich mich, wenn ich sehe, dass die Ampelanlage außer Gefecht ist. Ich bekomme gute Laune. Es ist nur eine Straßenkreuzung an der Schnittstelle zwischen Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain, aber es hebt meine Stimmung, den Polizisten einen Moment lang bei ihrer Arbeit zuzusehen, während ich auf dem Weg zu meiner bin. Daniel Klaus