Prostitution in der Haupstadt

Was hat das neue Prostituierten-schutzgesetz gebracht? Nun liegen aktuelle Zahlen für 2018 vor

Eineinhalb Jahre nach dem Start des Berliner Prostituiertenschutzgesetzes haben sich in Berlin rund 700 Sexarbeiterinnen offiziell angemeldet. Das sagt die Statistik des zuständigen Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg bis Ende 2018. 171 Geschäftsleute stellten darüber hinaus einen Antrag auf den Betrieb eines Bordells, teilte die Senatsverwaltung für Wirtschaft mit. Vor dem Start des Gesetzes wurde die Zahl der Menschen, die in Berlin in der Prostitution arbeiten, auf 6.000 bis 8.000 geschätzt – und die Zahl der Bordelle auf rund 600. Was sagt das über Berlins Rotlicht-Milieu – ist es geschrumpft?

Für die Prostituierten-Beratungsstelle Hydra ergibt sich aus den neuen Zahlen kein realistisches Bild. „Es ist wieder nur ein Ausschnitt“, kritisiert Hydra-Leiterin Simone Wiegratz. Sie geht davon aus, dass viele Prostituierte ohne Anmeldung weiterarbeiten und in keiner Statistik auftauchen.

Eine genaue Erfassung des Ausmaßes von Prostitution, die seit 2002 legal ist, war in Berlin schon vor 2017 wegen verschiedenster Berufsbezeichnungen schwierig. Es gab zum Beispiel Hostessen, Performance-Künstlerinnen, Tänzerinnen und Masseusen. Das neue Gesetz hatte unter anderem das Ziel, Prostituierten mehr Schutz zu bieten. Bordelle sollen nun – mit zahlreichen Auflagen versehen – klar benannt, behördlich genehmigt und kontrolliert werden. Darüber hinaus sind seit Mitte 2017 Ausweise für Prostituierte Pflicht – samt Gesundheitsberatung und Rechtsbelehrung. Nur wer einen solchen Ausweis besitzt, darf nun in einem genehmigten Bordell arbeiten.

In Berlin hat es ein Jahr gedauert, die Voraussetzungen für eine Umsetzung des Gesetzes zu schaffen. Ausweise für Prostituierte werden erst seit Juli 2018 ausgestellt. Bis Mitte Dezember waren es genau 725, heißt es vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, das in Sachen Prostitution nun für ganz Berlin zuständig ist. Zuvor hätten rund 2.000 Menschen versucht, sich seit dem Start des Gesetzes vorläufig als Prostituierte registrieren zu lassen. Wie viele von ihnen nun den Ausweis haben oder ihn beantragen wollen, bleibt unklar. Rund 75 Prozent der Frauen, die sich bislang angemeldet haben, stammen aus dem Ausland. Einige wenige Male hegten Mitarbeiter nach Angaben des Bezirksamts den Verdacht auf Zwangsprostitution und machten den Frauen Termine bei Fachberatungsstellen für Menschenhandel.

Wiegratz geht jedoch davon aus, dass viele Prostituierte keinen Ausweis beantragen. „Weil sie sich nicht outen wollen.“ Auch weil sie zum Teil ein Doppelleben führten. „Um unentdeckt arbeiten zu können, gehen sie mit Freiern nun an ungeschützte Orte“, berichtet Wiegratz. Dort gebe es neue Formen von Ausbeutung, Erpressung und gewalttätigen Übergriffen. „Das wissen wir aus unseren Beratungen. Da gibt es eine Zunahme dieser Fälle.“

Kritisch sieht die Lage auch Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne). Mit Blick auf den Straßenstrich in der Kurfürstenstraße sagt er: „Es ist ein massives Problem. Da würde ich mir mehr Ehrlichkeit wünschen. Das ist zum größten Teil Armutsprostitution.“ Das eigentliche Problem seien Freier, die für wenige Euro Sex wollten. Dafür gebe es keine schnelle Lösung. (dpa)