Am Ende einer Rebellion

Am morgigen Donnerstag wählt die Vollversammlung der Hamburger Handelskammer einen neuen Kammerpräses. Wer immer es wird, der interne Streit wird weitergehen

Überall Rebellen, aber kein Konsens: die Hamburger Handelskammer Foto: Axel Heimken/dpa

Von Marco Carini

Neuer Chef, neuer Kurs? Am morgigen Donnerstag wählt die Hamburger Handelskammer einen neuen Chef. Die Neuwahlen waren notwendig geworden, nachdem der bisherige Handelskammerpräses Tobias Bergmann Anfang Dezember entnervt die Brocken geschmissen hatte – nach monatelangen internen Querelen.

Mit Bergmann gab der Frontmann der sogenannten „Kammerrebellen“ auf, die mit dem Versprechen, die Kammer zu erneuern und die Zwangsmitgliedschaften abzuschaffen, nach den Handelskammerwahlen im Februar 2017 die Macht in der Kammer übernommen und den alten Kammerpräses Fritz Horst Melsheimer samt Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz in die Wüste geschickt hatten. Doch statt interner Revolution hatte es in der Folgezeit vor allem internen Streit gegeben.

Mit Torsten Teichert und Johann Killinger stehen nun zwei Kandidaten zur Wahl. Beide sind als Vizepräsides schon heute Teil des Kammerpräsidiums. Teichert, Ex-Vorstandschef der Lloyd Fonds AG, gilt nach einer internen Abstimmung der die Mehrheit bildenden Wahlgruppe „Die Kammer sind Wir!“ als Favorit für das Amt.

Teichert gilt als scharfer Kritiker der von den Kammerrebellen berufenen Kammer-Hauptgeschäftsführerin Christi Degen und auch der eingeleiteten samt Umstrukturierung internen Kammer-Organisation, die zu einem drastischen Personalabbau führen soll. „Die von der Hauptgeschäftsführung vorangetriebene Organisationsreform muss grundlegend überarbeitet werden“, geht Teichert in Opposition zu Degen und dem längst angelaufenen Zentralprojekt der aktuellen Kammermehrheit.

Wegen solcher inhaltlichen Differenzen sagte sich Teichert im vergangenen Monat von der Wir-Gruppe los, der Killinger weiterhin angehört. Dass die Wir-Mehrheit trotzdem Teichert in der Probewahl ganz eindeutig unterstützte, zeigt die Verworrenheit der inneren Machtstrukturen. Die Gruppe der ehemaligen Kammerrebellen ist komplett uneins über den zukünftigen Kurs der Kammer.Für Zoff dürfte also gesorgt sein.

Trotzdem bekam Teicherts Gegenkandidat, der Hafenunternehmer Johann Killinger (58), eher Vertreter der Weiter-so-Linie, bei der Probeabstimmung nur ein Viertel der Stimmen. Killinger will den hauptamtlichen Kammerapparat weiter verkleinern und die Pflichtbeiträge weiter senken.

Teicherts Nachteil: Der 61-Jährige steht nur bis Ende der Wahlperiode im Februar 2020 zur Verfügung, danach will er etwas anderes machen. Schon vor Amtsantritt hat Teichert seinen Abgang eingeleitet und sich damit selbst zum Übergangs-Präses herabgestuft.

1665 wurde die Handelskammer Hamburg als Commerz-Deputation von den Seehandel treibenden Hamburger Kaufleuten gegründet. Sie ist die älteste in Deutschland.

1867 benannte sich die Commerz-Deputation in Handelskammer um. 1907 erhielt sie offiziell das Recht, auch die Industrie zu vertreten.

Im Februar 2017 erhielten bei den Handelskammerwahlen Unterstützer des Bündnisses Die Kammer sind WIR! mit 55 von 58 Gewählten die absolute Mehrheit der Sitze im Plenum der Handelskammer. Das Bündnis der „IHK-Rebellen“ orientiert sich an der Programmatik des Bundesverbandes für freie Kammern (BffK).

Im April 2017 wurde Tobias Bergmann zum Präses gewählt.

Am 8. Dezember 2018 trat Bergmann überraschend zurück.

Mit der Neuwahl stellt sich vor allem die Frage: Was ist von der großen Kammerrebellion geblieben, die vor zwei Jahren der Erneuerergruppe „Die Kammer sind Wir!“ die überwältigende Mehrheit im Kammerpräsidium beschert hatte. Die Antwort lautet: Wenig. Das wichtigste Ziel des Wahlbündnisses, die Abschaffung der kostenpflichtigen Pflichtmitgliedschaften für 160.000 Unternehmen, wurde schon bald verworfen. Bereits Ende 2017 nahm Bergmann sein Wahlversprechen zurück. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass die Pflichtbeiträge der Handelskammern nötig seien, damit diese ihre Aufgaben erfüllen könnten.

Die Wir-Gruppe, die eine komfortable Mehrheit von 50 der 66 Plenarsitze hält, ist inhaltlich tief zerstritten. War die Kammer einst eine einflussreiche Lobbyvereinigung mit Direktzugang zum Rathaus, so gleicht sie derzeit eher einem Scherbenhaufen, über den die Stadt spottet.

Seine Silvesteransprache auf der „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“ nutzte deren Vorsitzender Gunter Mengers, um der neuen Kammer zu attestieren, dass von ihr „schon lange keine Impulse mehr“ ausgingen, sie der Wirtschaft schade und so in interne „Machtkämpfe“ verstrickt sei, dass „dadurch Kernfunktionen, Umgangsformen, Mitarbeiterfühung, Abläufe und Kreativität vernachlässigt“ würden. Mengers Kampfansage: „Das kann nicht hingenommen werden.“ Egal, ob Teichert oder Killinger das Rennen machen: An der permanenten Selbstbespiegelung des Kammerpräsidiums und der Kammervollversammlung dürfte sich unter der neuen Führung nichts ändern. Viel spricht dafür, dass nach der Kammerwahl Anfang kommenden Jahres die Rebellion in der über 350 Jahre alten Interessenvertretung der Hamburger Wirtschaft Geschichte sein wird.