Kommentar von Dominik Baur über Söders neue Verantwortung als CSU-Parteivorsitzender
: Sündenbock entlaufen

Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres ist Markus Söder nun seinem Erzrivalen Horst Seehofer im Amt nachgefolgt – die CSU hat ihn bei ihrem Parteitag in München am Samstag zum Parteichef gewählt. Nun steht er allein da. Denn anders als noch bei der Landtagswahl, in die Söder seine Partei immerhin als Spitzenkandidat geführt hatte, wird ihm Seehofer nun nicht mehr als Sündenbock zur Verfügung stehen. So ungeschoren wie damals wird Söder bei weiteren Niederlagen nicht mehr davonkommen. Schon bei der Europawahl wird es darauf ankommen, dass die CSU ihr Ergebnis zumindest als Trendwende verkaufen kann.

Während der Posten des bayerischen Ministerpräsidenten stets das Ziel der Söder’schen Träume war, hat der Franke sich um den Parteivorsitz nicht gerissen. Schließlich hat er mit der Bundespolitik immer ein wenig gefremdelt. Das kann er sich nun nicht mehr leisten, künftig ist Söder auf allen Ebenen für seine Partei zuständig. Jetzt muss er, wie es so schön heißt, liefern.

Mit Seehofer tritt ein CSU-Chef ab, der sich bei allem Wankelmut in einigen wesentlichen Fragen dennoch von politischen Idealen hat leiten lassen. Mit solchen hat sich Söder nie belastet. Auf seiner Agenda stand Erfolg. Sein persönlicher nämlich, und der war das Einzige, was für ihn zählte. Wenig überzeugend fiel daher auch der Versuch aus, sich nach seiner ersten Wahl zum Ministerpräsidenten im vergangenen Frühjahr als treu sorgender Landesvater neu zu erfinden.

Nach außen hin will sich Söder nun zunächst mal mit einer Föderalismusinitiative profilieren. Genauso wichtig sind aber die internen Reformen. Söder wird nicht von Themen getrieben, aber er erkennt sie, er weiß, wo sich auch eine konservative Partei dem Zeitgeist nicht mehr verschließen kann. Das ist seine Chance. Wenn Söder die CSU jünger, weiblicher, moderner, sozialer, ja sogar grüner machen will, wenn er sie für „urbane Lebensentwürfe“ öffnen will, muss das nicht seiner inneren Überzeugung entspringen, wohl aber seiner Überzeugung, dass eine Volkspartei andernfalls heute keinen Erfolg mehr haben wird.

Söder kennt die Partei, kann auf ein hervorragendes Netzwerk zurückgreifen. Trotzdem wird es nicht leicht werden, die CSU umzukrempeln. Es wird in den eigenen Reihen erheblichen Widerstand geben – etwa von Mitgliedern, die weder jung noch weiblich sind und um ihre Macht fürchten. Auch die Wendigkeit einer Partei mit 140.000 – zu einem großen Teil schon älteren – Mitgliedern sollte nicht überschätzt werden. Bis zum nächsten regulären Parteitag im Herbst gibt sich die CSU jetzt Zeit, um ihren Reformprozess in Gang zu kriegen. Viel mehr Zeit bleibt auch nicht. 2020 sind Kommunalwahlen in Bayern.

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