Kommentar Proteste in Frankreich: Peinliche rote Schals

Die „foulards rouges“ wollen den Gelbwesten etwas entgegensetzen. Doch es kamen so wenige, dass sogar der Präsident sich distanzierte.

Ein Demonstrant trägt ein rotes Tuch mit einem Stiermotiv

Kämpfen wie ein Stier? Der Rückhalt, den Macron am Sonntag erhalten hat, ist dramatisch mager Foto: AP

Statt gelber Westen marschierten am Sonntag rote Schals durch Paris – zur Unterstützung von Präsident Emmanuel Macron. Der Vergleich mit einer anderen bewegten Episode der französischen Geschichte ist weder zufällig noch willkürlich: Wenn am Ende Januar 2019 französische Bürgerinnen und Bürger für Ruhe und Ordnung und zur Verteidigung der Institutionen der Republik auf die Straßen gehen, denken viele unwillkürlich an an 30. Mai 1968. An diesem historischen Tag demonstrierten ein paar hunderttausend Menschen zur Unterstützung von Präsident Charles de Gaulle. Dieser taktische Geniestreich der bürgerlichen Rechten war das Ende der Studentenrevolte und der politischen Krise.

Von einer solchen Wende dank einer Mobilisierung seiner eigenen Anhänger kann Präsident Macron heute nur träumen. Eine Schar von Unerschrockenen haben zwar versucht, ein „Remake“ zu organisieren. Doch der Flop war so unvermeidlich, dass sich die Partei des Präsidenten im Voraus auf Distanz zu diesen „foulards rouges“ – den „Roten Schals“ – gegangen war. Trotz aller Publicity in den Medien, die eine Flutwelle der bürgerlichen Empörung über die Gewalt der „gilets jaunes“ – der Gelbwesten – erwarten ließ, kamen nur ein paar tausend mit roten Halstüchern, um den bedrohten Rechtsstaat zu verteidigen.

Auf jeden Fall waren das viel weniger „foulards rouges“ als jeweils die „gilets jaunes“, die jeden Samstag demonstrieren. Damit wird das Kräftemessen oder die vermeintliche Machtdemonstration kontraproduktiv. Besonders peinlich dabei ist es, dass die Organisatoren den eigentlichen Zweck der Aktion verheimlichen wollten. Denn selbstverständlich ging es nicht bloß um eine allgemeine prinzipielle Frage der Demokratie und der Ablehnung der Gewalt, sondern um eine direkte Erwiderung auf die Gelbwesten. Diese fordern den Rücktritt von Präsident Macron. Der Rückhalt, den er im Gegenzug am Sonntag von Sympathisanten mit roten Schals erhalten hat, ist dramatisch mager. Weil er damit rechnen musste, hatte er diese Initiative selber gar nicht erst gebilligt. Ausbaden muss er die Niederlage trotzdem.

Er will die Kraftprobe mit der Protestbewegung ohnehin nicht auf der Straße gewinnen, sondern auf seinem Terrain: Debatten über Fragen, die er formuliert. Noch immer will er so Zeit gewinnen, in der Hoffnung, dass die öffentliche Meinung vielleicht doch noch gegen die „gilets jaunes“ und zu seinen Gunsten kippt.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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