Parkraumbewirtschaftung: In Kreuzberg wird bald geblecht

Wenn es nach Rot-Rot-Grün ginge, wäre Straßenparken bis 2021 im gesamten S-Bahn-Ring kostenpflichtig. Friedrichshain-Kreuzberg prescht schon mal vor.

Alles dicht? Gebühren dünnen die Parkplatznutzung zuverlässig aus Foto: dpa

Blechen fürs Blech: Eigentlich sollte es schon im letzten Herbst soweit sein, aber dann verhinderten bürokratische Verwicklungen den Start der Parkraumbewirtschaftungszonen 60 und 61 in Kreuzberg. Erst seit dem 4. Januar kostet es Geld, einen Pkw rund um die Bergmannstraße oder den Viktoriapark abzustellen: 1 Euro stündlich von 9 bis 17 Uhr, bis 22 Uhr sogar 2 Euro. Nur nachts und sonntags wollen die kleinen blauen Automaten kein Geld, und die MitarbeiterInnen des Ordnungsamts machen Pause.

Auf dem anderen Spreeufer, in Friedrichshain, unterhält der Ost-West-Bezirk schon seit Jahren mehrere Zonen zur Parkraumbewirtschaftung, für Kreuzberg war die Einführung ein Novum. Jetzt wird das Tempo aber deutlich anziehen: Noch vor Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 soll Parken im gesamten Ortsteil kostenpflichtig sein – von der Oberbaumbrücke bis zum Potsdamer Platz, vom Springerhochhaus bis zum Tempelhofer Feld. Die entsprechenden Verwaltungsvorgänge sind schon eingeleitet.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits hat Rot-Rot-Grün in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, die Parkraumbewirtschaftung bis 2021 möglichst auf den gesamten Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings auszuweiten. Manche Bezirke ziehen da mit, andere nicht (siehe Kasten). Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg hat im Oktober mit großer Mehrheit das Bezirksamt beauftragt, den Prozess „deutlich zu beschleunigen und bis Ende der Wahlperiode den Bezirk komplett zu bewirtschaften“ – als ersten in Berlin.

Andererseits wächst durch die bereits vorhandenen Zonen – im Bezirk und nebenan in Mitte – der Druck auf die benachbarten Kieze. Logisch: Bevor sie den Geldbeutel zücken, versuchen viele lieber ihr Glück zwei Ecken weiter. Der gefürchtete Parksuchverkehr, also das stetige Kreisen um die Blocks, das für Emissionen und verstopfte Straßen sorgt, nimmt in den Gratis-Kiezen noch zu. Auch auf der Website des Bezirksamts ist von „Verdrängungseffekten“ die Rede, die man man mit der flächendeckende Einführung der Parkraumbewirtschaftung aufheben will.

Zahlen und Fakten: In Berlin gibt es mittlerweile 46 Zonen zur Parkraumbewirtschaftung. Innerhalb des S-Bahn-Rings liegen sie in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und jetzt auch in Kreuzberg. Neukölln und Tempelhof-Schöneberg prüfen die Einführung noch. Laut Senatsverkehrsverwaltung sind damit rund 40 Prozent der Innenstadtfläche bewirtschaftet. Außerhalb des Rings gibt es noch Parkraumbewirtschaftung in Steglitz und Spandau.

Preise: Zeiten und Gebührenmodalitäten unterscheiden sich zwischen den Zonen. Die Preise bewegen sich meist zwischen 1 und 2 Euro pro Stunde, an Ku’damm und Tauentzien, am Potsdamer Platz und rund um den Gendarmenmarkt wird ein Spitzensatz von 3 Euro pro Stunde fällig.

Vignette: AnwohnerInnen erhalten überall für eine Bearbeitungs­gebühr von genau 20,40 Euro eine für zwei Jahre gültige Vignette, parken in ihrem Kiez also praktisch kostenlos. HandwerkerInnen können für 350 Euro eine zwei Jahre gültige Vignette für die gesamte Stadt beantragen. Für einzelne Zonen können Gästeausweise beantragt werden.

„Effizientes Parken“: Der Senat propagiert Parkraumbewirtschaftung als Mittel für „effizientes Parken“. Das schont nicht nur die Nerven einzelner AutofahrerInnen, sondern auch die aller anderen BerlinerInnen und der Umwelt: Die Reduzierung des „Parksuchverkehrs“ macht die Stadt ein bisschen leiser, leerer und luftiger. (clp)

Zonen werden bestimmt

Bis die neuen Zonen in Kraft treten können, muss aber noch eine Menge passieren. Als erstes ist eine „verkehrliche Untersuchung“ erforderlich, unter anderem, um die optimale Abmessung festzulegen. Idealerweise enden die einzelnen Gebiete an breiten Straßen oder anderen „natürlichen“ Kiezgrenzen, um Bedarfs-Schnittmengen zu minimieren. Sonst schieben viele AnwohnerInnen Frust – denn die Vignette, die sie beantragen können, gilt ausschließlich für die Zone, in der sie auch gemeldet sind.

Laut Bezirkssprecherin Sara Lühmann sind die Untersuchungen für den Rest von Kreuzberg bereits in Auftrag gegeben, man rechne noch in diesem Jahr mit Ergebnissen. „Im nächsten Jahr kann dann mit der Umsetzungsplanung in den beteiligten Ämtern und Fachbereichen begonnen werden.“

Dazu gehört die Rekrutierung von Personal für das Ordnungsamt, die Schaffung von Pausenräumen für dieses Personal, Planungen für Schilder- und Automatenstandorte durch das Straßen- und Grünflächenamt sowie die Ausschreibung und die Beschaffung von Schildern und Automaten“, erklärt Lühmann.

Das alles reicht voraussichtlich für einen Start in rund zwei Jahren. Vielleicht ist sogar der komplette Bezirk bis zu den nächsten Wahlen „durch“: Für die noch fehlenden Teile von Friedrichshain erfolgt die Ausschreibung der Untersuchungen laut Lühmann noch 2019.

Anfangs kostet das Geld

Das alles kostet natürlich Geld. Zwar soll sich Parkraumbewirtschaftung am Ende über die Einnahmen selbst finanzieren (eine Cash-Cow für den Bezirk darf sie laut Gesetz nicht sein), aber zu Beginn werden hohe Investitionen fällig. In der Antwort auf eine Anfrage im Abgeordnetenhaus schätzte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den Betrag grob auf 11 Millionen Euro. Darum will es sich um Mittel aus dem SIWANA-Investitionsfonds des Landes etwa zur Anschaffung der Automaten bewerben. Auch die vorbereitenden Untersuchungen werden vom Land bezahlt.

Es könnte auch sein, dass der Senat noch tiefer in die Tasche greift, um den von ihm ja gewollten Prozess zu befördern. Derzeit sei die Verkehrsverwaltung mit den Bezirken im Gespräch über deren Finanzierungsbedarf, so deren Sprecher Jan Thomsen. „Inwiefern über die anstehenden Haushaltsberatungen entsprechende finanzielle Vorsorge getroffen werden kann, ist noch offen.“

Laut Sara Lühmann hat sich inzwischen auch der Alltag im Bergmann- und Viktoriakiez normalisiert. Erst hatte eine Firma falsche Schilder geliefert, dann drohten die ersten Kreuzberger Park-Zonen endgültig zur Lachnummer zu werden, als im Januar auch noch viele Automaten streikten. Ja, es habe außer Vandalismusschäden auch Software- und Hardwarefehler gegeben, so Lühmann, man hätte aber „rasch reagiert und viele Fehler oder Schäden bereits behoben“. Ein „Ausfall von etwa 10 Prozent der Automaten“ wie zu Beginn liege übrigens „im üblichen Rahmen“.

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