Die Mitte der Gesellschaft gegen rechts

Hertha-Spieler, Dieter Thomas Heck und Uli Wickert fordern Einsatz gegen Nazis. Sachte Kritik der echten Antifa

BERLIN taz ■ Im Wahlkampf geht es mal wieder um jede Stimme – da droht bei einigen Politikern die Gefahr, dass sie mit rechten Parolen auf Stimmenfang gehen. Mit dem Aufruf „Keine Entwarnung! Aktiv gegen Rechtsextremismus – Für eine vielfältige demokratische Gesellschaft“ wandten sich gestern verschiedene Initiativen an die Öffentlichkeit. Ulrich Wickert unterstützt den Aufruf genauso wie Dieter Thomas Heck, DJ Paul van Dyk oder die Fußballer von Hertha BSC.

„Um zu verhindern, dass das Problem Rechtsextremismus im anstehenden Bundestagswahlkampf untergeht“, haben sich das „Anne Frank Zentrum“, der Verein „Gegen Vergessen. Für Demokratie“ und die „Aktion weltoffenes Deutschland. Gesicht zeigen!“ zusammengeschlossen. Insgesamt stehen hinter dem Aufruf mehr als 700 Prominente und verschiedene Stiftungen.

Sie fordern von allen Parteien, sich „kritisch, demokratisch und politisch“ mit rechten und antisemitischen Ansichten auseinander zu setzen und im Wahlkampf auf rechten Populismus zu verzichten. Angesichts der Erfolge, die rechte Parteien bei Landtagswahlen erzielten, und rechtsextremer Gewalt von Jugendlichen dürfe man keine Entwarnung geben.

„Nur das Gesicht zu zeigen ist der falsche Ansatzpunkt“, rügte Johannes Reyersbach von der Antifaschistischen Linken Berlin die Initiative. Stattdessen hätte die Politik beispielsweise im Vorfeld der Nazi-Aufmärsche des vergangen Wochenendes die BürgerInnen aufrufen sollen, „aktiv zu werden und zu protestieren“.

„Jeder ist aufgerufen, eine Haltung einzunehmen, die das So-dahin-Gesagte nicht hinnimmt“, forderte der frühere Regierungssprecher von Kanzler Schröder und Vorsitzender von „Gesicht zeigen“, Uwe-Karsten Heye. Gleichzeitig appellierte er an die Wirtschaft, sich verstärkt finanziell zu engagieren und dafür zu sorgen, „dass der gute Name Deutschlands in der Welt erhalten bleibe“.

Gerade präventive Bildungsprogramme dürften nicht vergessen werden, mahnten die Initiatoren des Aufrufs. „Die Jugend muss immer wieder an die Vergangenheit erinnert werden“, erklärte die CDU-Politikerin Hanna-Renate Laurien. Mit Blick auf Henry Nitzsche (CDU), der mit der rechten Parole „Arbeit, Familie, Vaterland“ Wahlkampf macht (siehe taz v. 20. 8. 05), forderte sie, keine „Schleichwerbung für die Rechten“ zu machen. „Den Mund nicht aufzumachen, das ist das Schlimmste, was es gibt“, sagte die frühere Berliner Parlamentspräsidentin. Hoffentlich bleiben die an dem Aufruf beteiligten Politiker auch nach der Wahl diesem Credo treu.

Bis dahin wird sich zeigen, inwiefern der Aufruf über bloße Lippenbekenntnisse hinausgeht und nicht nur der Beruhigung des eigenen Gewissens dient. „Solche Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen ist natürlich grundsätzlich richtig. Aber Bekenntnisse allein reichen nicht aus“, kritisierte Reyersbach. Er unterstützte jedoch die Forderung an die Politik, Bildungsprogramme auszubauen und langfristig in Prävention gegen Fremdenfeindlichkeit zu investieren.

SARAH MERSCH