Die Grammys und der Missbrauch: Nur ein Abend für die Frauen

Die aktuellen Vorwürfe gegen den Musiker Ryan Adams zeigen: Die #MeToo-Bewegung hat in der Musikbranche noch sehr viel zu tun.

Ryan Adams

Ryan Adams, 2015, schon mal mit Sonnenbrille Foto: AP

Die diesjährige Grammy-Verleihung war ein Abend der Frauen, da waren sich die Medien einig. So titelte der BR „Wie Frauen die Grammys 2019 erobern“ oder „Grammys feiern die Frauen“ (2) die Welt, die Süddeutsche Zeitung setzt noch eins drauf: „Grammy: Frauen regieren die Welt.“

Ein kurzer Blick auf die Preisträger*innen des wichtigsten Musikpreises der USA am vergangenen Sonntag, bestätigt den Eindruck. Viele der wichtigen Preise gingen an Frauen, wie Rapperin Cardi B, Dua Lipa oder Lady Gaga. Nur bei vier der 17 musikalischen Performances standen ausschließlich Männer auf der Bühne, die Aufmerksamkeit gehörte den Frauen.

Bevor Jubelschreie wegen #MeToo ausbrechen, lohnt sich ein zweiter Blick auf die Veranstaltung. Denn auch die Funk-Band Red Hot Chili Peppers stand an dem Abend auf der Bühne. Deren Frontsänger Anthony Kedis ist ein verurteilter Sexualstraftäter. 1989 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er einem Fan seinen Penis ins Gesicht gedrückt hatte.

Im gleichen Jahr wurden auch der Drummer Chad Smith und Bassist Michael Flea Balzary wegen sexueller Belästigung festgenommen. Immer wieder erheben Frauen Vorwürfe wegen sexuellem Missbrauch gegen Kiedis; in seiner Autobiografie „Scar Tissue“ beschreibt der Sänger, wie er als Erwachsener Sex mit einem 14-jährigen Fan hatte. Reue zeigte Kiedies nicht

Kein Einzelfall

Selbst Jahre nach dem Kiedis verurteilt wurde und zugegeben hat, mit Minderjährigen Sex gehabt zu haben, wird ihm bei den Grammys eine Bühne geboten, auf der er seine Musik promoten kann. Zynisch, wer da von einem Abend der Frauen spricht.

Ein Einzelfall ist Kiedis in der Musikbranche nicht. Am Mittwoch veröffentlichte die New York Times eine große Recherche über Ryan Adams. Darin kommen sieben Frauen, unter anderem auch seine Ex-Frau Mandy Moore, zu Wort, die er über Jahre hinweg psychisch misshandelt haben soll. Darunter ist die junge Frau Ava, mit der er anzügliche Nachrichten ausgetauscht und Telefonsex gehabt haben soll – im Gegenzug habe er ihr Unterstützung bei ihrem musikalischen Durchbruch versprochen.

Einige der Frauen sagen gegenüber der New York Times, dass sie den Machtmissbrauch Adams als so belastend empfunden haben, dass sie danach keine eigene Musik mehr machen konnten. Bei Twitter reagierte Ryan Adams auf die Vorwürfe der Frauen. Manche Teile davon seien falsch interpretiert, stark übertrieben oder einfach falsch. Das FBI hat nach der Veröffentlichung des Artikels die Ermittlungen aufgenommen.

Allein die beiden Fälle dieser Woche zeigen auf, was in der Musikbranche falsch läuft. Männer tarnen ihre Unterdrückung und Machtmissbrauch unter dem Deckmantel von Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Sie nutzen ihre Karriere und Bekanntheit um Frauen zu misshandeln und zu manipulieren – und verdienen weiterhin großes Geld damit.

Adams scheint sein Fehlverhalten sogar bewusst zu sein. In einer Nachricht an Ava schrieb er: „Wenn Leute von unseren Nachrichten wüssten, würden sie sagen, ich sei wie R. Kelly. Lol.“ Dem R'n'B-Sänger werden seit Jahrzehnten sexueller Missbrauch und Pädophilie vorgeworfen (6). Die Vorwürfe gegen Kelly wurden lange Zeit ignoriert, doch die Doku „Surviving R. Kelly“ hat eine Debatte über ihn angestoßen. Eine Bühne wird ihm trotzdem geboten – zumindest in Deutschland. Das Konzert in Ludwigsburg wurde zwar abgesagt, doch ein Betreiber einer Konzerthalle in Neu-Ulm will ihm nun ein Forum geben.

In zwei Monaten wird Kelly also – wenn sich Veranstalter, die Stadt oder Konzerthallenbetreiber nicht doch noch ihrer Verantwortung bewusst werden – in Hamburg und Baden-Württemberg auftreten. Solange es Menschen gibt, die Missbrauchsstrukturen weiter unterstützen und solchen Männern eine Bühne bieten, hat die #MeToo-Bewegung in der Musikbranche noch viel zu tun. Da bringt auch kein Abend der Frauen etwas.

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