Stadt soll Werbung filtern

Der Rat der Stadt Flensburg entscheidet am Donnerstag über ein Verbot diskriminierender Werbung. Bremen war 2017 vorgeprescht, Lübeck konnte sich nicht dazu durchringen

Der FC St. Pauli und Pinkstinks haben in einer Broschüre erläutert, wo sexistische Werbung anfängt Foto: Abb: FC St. Pauli/Pinkstinks

Von Esther Geißlinger

Frauen in Unterwäsche als Beiwerk neben Möbeln oder Autos, Menschen in stereotypen Rollen – sexistische oder rassistische Werbung soll in Zukunft in Flensburg nicht mehr plakatiert werden, fordern die Ratsfraktionen von SPD, Grünen, SSW und Linken. Wenn am Donnerstag die Ratsversammlung zustimmt, wird Flensburg die erste Stadt in Schleswig-Holstein mit einer solchen Regelung. Lübeck hatte einen entsprechenden Vorstoß Anfang Februar abgelehnt.

Das Sexismus-Verbot gilt nur für „öffentliche Flächen, an öffentlichen Gebäuden und Fahrzeugen der Stadt“, heißt es im Antrag der Fraktionen. Das ist also nur ein kleiner Teil des Stadtgebiets, und schon heute hängen dort kaum sexistische Plakate. Dennoch sei der Beschluss „als Signal an die Öffentlichkeit eine sinnvolle Maßnahme“, sagt Stevie Schmiedel, Geschäftsführerin von „Pinkstinks“. Der Verein mit Sitz in Hamburg wirbt bei Unternehmen, Kommunen und Agenturen für einen schärferen Blick auf Stereotype und Sexismus, vergibt den Positiv-Preis „Pinker Pudel“ und bietet eine Plattform, auf der sexistische Werbung gemeldet werden kann.

In Flensburg haben vor allem die Grünen das Thema vorangebracht, im vergangenen April gab es dazu eine Veranstaltung mit der Landtagsabgeordneten Aminata Touré. „Werbung prägt – bewusst und unbewusst –, welche Bilder und Vorstellungen wir davon haben, wie Frauen und Männer, Mädchen und Jungen sein sollten“, heißt es bei der Ratsfraktion. Der Gleichstellungsausschuss der Stadt hat bereits zugestimmt, auch der Hauptausschuss gab sein Okay. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse sollte auch die Entscheidung im Rat ein Selbstgänger sein. Es wird künftig möglich sein, Werbung abzuhängen, die gegen die Kriterien des Deutschen Werberats verstößt.

Flensburg folgt dem Beispiel anderer Städte. In Bremen beschloss der Senat bereits im April 2017 ein Werbeverbot. Seither können sich alle BürgerInnen bei der „Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“ (ZGF) über sexistische Werbung beschweren. Die Stelle „prüft den Sachverhalt und gibt ihre Einschätzung an die für die Fläche zuständige Fachbehörde weiter“, heißt es auf der Seite der ZGF.

H&M steckte 2018 für ein Werbefoto einen dunkelhäutigen Jungen in einen Pullover mit dem Aufdruck „Coolest Monkey in the Jungle“.

Die Unilever-Marke „Dove“ bewarb ein Waschgel mit einem Spot im Netz, in dem sich eine dunkelhäutige Frau mit braunem Shirt in eine Weiße im hellen Shirt verwandelt.

Nivea wurde für den Slogan „White is Purity“ kritisiert.

Dolce & Gabbanawarb 2012 mit dem Bild einer Frau, die von einem halbnackten Mann mit Sonnenbrille am Boden festgehalten wird, drei weitere Männer stehen dabei – wie vor einer Gruppenvergewaltigung.

Die Hamburger Astra-Brauerei stand immer wieder wegen sexistischer Motive in der Kritik. 2018 war sie mit einem Großplakat aufgefallen, das einem dunkelhäutigen Menschen das Zitat „Wolle Dose kaufen“ zuordnete.

Dass allerdings Plakate abgehängt oder überklebt werden, passiert selten, so Schmiedel: „Die großen Agenturen haben erkannt, dass diese Art Werbung uncool ist, erst recht seit der #metoo-Debatte.“ Anders sei es aber mit „selbst gemachter“ Werbung: „Der kleine Handwerksbetrieb klebt sich gern noch die nackte Frau auf den Wagen, und Kalle und Horst hauen sich vor Begeisterung auf die Schenkel.“ Diese Aufkleber oder Plakate bleiben vom städtischen Werbeverbot unberührt. Allerdings greift immer die allgemeine Gesetzgebung, zudem gibt es mit dem Deutschen Werberat ein Kontrollgremium, das Beschwerden prüft.

Mit diesem Argument hatte sich der Lübecker Stadtrat vor einigen Wochen gegen eine Neuregelung der Werbeverträge entschieden. Hier hatten die Linken das Anliegen eingebracht. Ihr Plan sah vor, die Verträge mit der Agentur Wall GmbH um ein Verbot sexistischer Werbung zu ergänzen und in Zweifelsfällen den Bürgermeister und das Frauenbüro der Stadt entscheiden zu lassen. „Verträge sollen so verhandelt werden, dass Lübeck sexismusfrei bleibt“, sagte die Linken-Kreisvorsitzende Katjana Zunft den Lübecker Nachrichten.

Widerspruch kam von CDU, FDP und AfD. Ulrich Krause (CDU) sagte, es sei „nicht Aufgabe der Stadt zu entscheiden, was anstößig ist“. Auch die Grünen im Stadtrat und die Unabhängigen wollten nicht den Bürgermeister zum Werbe-Wächter machen. Grundsätzlich sprachen sich aber alle Fraktionen bis auf die AfD gegen sexistische Werbung aus.