DFB-Amateurkongress in Kassel: Bühnen-Bonbon zur Beruhigung

Beim DFB-Amateurkongress soll es um Infrastruktur- und Nachwuchsprobleme gehen. Nach dem Spesenskandal ist die DFB-Spitze wenig glaubwürdig.

Jemand richtet Fahnenstangen aus

Muss der DFB sich im Amateurbereich neu ausrichten? Foto: Imago / Sebastian Wells

FRANKFURT/M. taz | Christian Broßmann kennt sich aus mit Sorgen und Nöten im deutschen Fußball. Als Kleinfeldkoordinator und Jugendleiter bei F.C. Hertha 03 Zehlendorf ist „Kiki“, wie ihn alle nennen, für allein 56 Jugendmannschaften zuständig. Es würden noch viel mehr sein, wenn es im Berliner Süden mehr Spielflächen gäbe.

„Wir könnten in den jüngeren Jahrgängen mit 14 Teams spielen, aber uns fehlen die Plätze“, sagt der 48-Jährige. Der wegen seiner exzellenten Talentförderung bundesweit bekannte Fußballverein mit seinen 2.000 Mitgliedern ist längst an Kapazitätsgrenzen gestoßen. In der Hauptstadt hat sich die Situation fast dramatisch verschärft: Es kann nicht mehr jeder Fußball spielen, der Fußball spielen will.

Der Schuh drückt so gewaltig, dass der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel, zuletzt wiederholt die 5.000 in der Hauptstadt auf einen Vereinsbeitritt wartenden Kinder erwähnt hat, um auf den Bedarf einer verbesserten Infrastruktur zu verweisen. Im Zuge der Ausrichtung der EM 2024 will er Städte und Kommunen animieren, mehr für den Sportstättenbau zu tun.

Der Vereinsfußball spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider: hier die Ballungsgebiete, die dem Bevölkerungsdruck und Flächenbedarf kaum gewachsen sind; dort die ländlichen Räume, in denen die schönsten Rasenplätze mitunter verlassen wirken, weil Dorfvereine nur noch mit Spielgemeinschaften über die Runden kommen. Nachwuchsprobleme sind an Geburtenzahlen abzulesen.

286 Teilnehmer und fünf Kernthemen

Der DFB bekommt gesellschaftliche Probleme besonders zu spüren, weil unter seinem Dach mehr als sieben Millionen Mitglieder organisiert sind. Vom 3. Amateurfußball-Kongress von Freitag bis Sonntag in Kassel erhofft man sich Lösungsansätze.

286 Teilnehmer sind aufgefordert, zu fünf Kernthemen – Vereinsfußball 2024, Rahmenbedingungen, Verbandsentwicklung, Qualifizierungsangebote und Digitalisierung – Erfahrungen und Empfehlungen zu erörtern. Zusätzlich sind noch Satellitenkongresse aus sieben Landesverbänden mit weiteren 163 Vertretern zugeschaltet, sodass insgesamt 180 Amateurvereine eine Stimme haben.

Bundestrainer Joachim Löw wird in einer Talkrunde sprechen

Der für die Amateure zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch hofft, dass der Kongress nicht nur „eine Bestandsaufnahme zur Lage des Amateurfußballs im Jahr 2019 liefert, sondern vor allem auch eine Aufbruchstimmung verbreitet“. Und Koch mahnt: „Das veränderte Freizeitverhalten erfordert, unsere Sportart, die in den Zeiten von Turnvater Jahn entstand, neu aufzustellen.“

„Unsere Amateure. Echte Profis“

Weil Profis und Amateure wieder enger verzahnt werden sollen, sprechen Bundestrainer Joachim Löw und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg am Sonntag auf einer Talkrunde. Aber wird mit diesem Bühnen-Bonbon für die Delegierten die Kluft zwischen denen wenigen da oben und jenen vielen da unten wirklich geschlossen?

Die Veröffentlichungen des Spiegel über großzügige Spesenabrechnungen der leitenden Angestellten haben den Eindruck verstärkt: Die einen lassen sich auf Verbandskosten Wodka Belvedere schmecken, die anderen müssen an allen Ecken und Enden sparen. Gift für die Glaubwürdigkeit, wenn DFB-Kampagnen bezeugen wollen: „Unsere Amateure. Echte Profis.“

Während in der Vergangenheit beinahe regelmäßig außerordentliche Bundestage einberufen werden müssen, weil der Verband unruhige Zeiten erlebt, Stichwort WM-Skandal, liegt die letzte Zusammenkunft der Amateure auf dieser Ebene sieben Jahre zurück.

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