Ausstellung Tala Madanis in Frankfurt/M.: Meisterin des Unbehagens

Serielle Malereien und Animationen: Das zeigt die Ausstellung „Oven Light“ der iranisch-amerikanischen Künstlerin Tala Madani.

Gemäle und Fernseher mit Animation in einem Ausstellungsraum

Gemälde und Animation aus „Oven Light“ Foto: Diana Pfammatter/Portikus

Was machen die Leute nur für bizarre Dinge den lieben langen Tag? Was suchen sie im Dunkel, das sie kollektiv mit ihren leuchtenden Kameras oder Smartphone-Taschenlampen durchkämmen, wieso halten sie ein pastellfarben schimmerndes Säugetier in den Lichtkegel? Und was hat es mit der eingetrockneten Flüssigkeit auf sich, die auf dem Leuchtkasten klebt wie Blut aus der Asservatenkammer oder Tomatensoße aus der Dose?

Die unheimlichsten Momente sind bekanntlich die, in denen nicht alles ausbuchstabiert, aber Entscheidendes angedeutet wird. Daraus speiste sich noch jede Verschwörungstheorie und vielleicht auch die pathologische Paranoia aus der spannungsgeladenen wie angstbesetzten Lust am Mythos, der gerade nicht bis ins Letzte er- und aufgeklärt werden darf.

Tala Madani ist eine Meisterin des Unbehagens, das sie seit Längerem in die Welt trägt. Ihre skizzenhaften Malereien von nackten, körperbehaarten Männern, die aus Torten steigen, sich gegenseitig die Brust rasieren, bizarre Vorrichtungen mit schwarzen Händen auf ihren Hintern klatschen lassen, hämisch grinsend in die Gegend pinkeln, entwickelten schnell eine unwiderstehliche Anziehungskraft: So niedlich, so düster die Verschränkung von erotischer Andeutung und purer Banalität, so fluide die Grenzen zwischen Täter- und Opferschaft. Potenziell verstörende Motive in vermeintlich kindlicher Aufbereitung, farbenfroh und albern, Malereien wie simple Zeichnungen.

Harmlose Situationen können hier schnell ins Grausame kippen

Der Frankfurter Portikus zeigt mit „Oven Light“ nun die erste deutsche Einzelausstellung der 1981 in Teheran geborenen Künstlerin, die als Kind mit ihren Eltern in die USA übersiedelte und heute in Los Angeles lebt. Zu sehen sind neue Arbeiten: Neben Ölbildern mit flachem Farbauftrag und nur punktuellen Details im Siebdruck oder in Pastellkreide werden mehrere Animationen gezeigt. Es lässt eingedenk der eingangs beschriebenen Leinwandmotive leicht vorhersehen, dass Tala Madani auch im bewegten Bild eine hervorragende Spielerin auf der Klaviatur der Verunsicherung ist.

Harmlose Situationen können hier schnell ins Grausamste kippen: Ein Mann fährt tapfer Rolltreppe, nur um oben angekommen von einer glatzköpfigen Truppe sehr unsanft wieder nach unten geschubst zu werden. Wenn er es schafft, humpelnd wieder aufzustehen, wird von oben geklatscht. Insgesamt eine gute Viertelstunde dauert seine Tortur, die sich immer weiter steigert, bis am Ende Blut spritzt. Wacker, man darf ja den Kopf nicht gleich in den Sand stecken, das Leben geht weiter und so fort! Am Schluss fahren nur noch seine Einzelteile Rolltreppe, Kopf, Torso, Beine, auch der Phallus darf selbstredend nicht fehlen.

Umgekehrt kann die erwartete Zuspitzung, das Schlimmstmögliche, das bei Tala Madani immer mitgedacht werden darf und das ihren Arbeiten jene ungute Spannung verschafft, auch ausbleiben. Was ist beispielsweise schon dabei, wenn nackte erwachsene Herren freiwillig auf allen Vieren wie Katzen maunzend durch die Gassen ziehen – aufgezeichnet in einer weiteren Stop-Motion-Animation? Die Irritation ergibt sich natürlich auch hier aus dem Drang, der beobachteten Situation einen Sinn zu geben, die geheimen Codes und Rituale der Truppe zu deuten, die ihrem rätselhaften Treiben womöglich zugrunde liegen. Lachen ist eine denkbare Reaktion und vielleicht nicht die schlechteste.

Tala Madanis Bilder funktionieren wie die Ekelwunde, die man immer wieder anfassen muss, das tragische Unglück oder der durchs Peephole beobachtete Seitensprung, von denen man wider besseres Wissen seine Augen nicht lassen kann

Tala Madanis Bilder funktionieren wie die Ekelwunde, die man immer wieder anfassen muss, das tragische Unglück oder der durchs Peephole beobachtete Seitensprung, von denen man wider besseres Wissen seine Augen nicht lassen kann. Es ist der reinste Voyeurismus, der hier lust- und mindestens ebenso humorvoll bedient wird. Ein Traum im Alptraum, aus dem man eben noch erleichtert erwachte, nur um festzustellen, dass in Wahrheit alles exakt so oder noch viel grotesker ist.

Im Gegensatz zu anderen KünstlerInnen ihrer Generation gibt Madani seltener poststrukturalistisch geschulte Interpretationsbausteine über Macht und Gewalt zum Besten, auch kann man ihr ein gesteigertes Interesse an autobiografischer Anekdotendeuterei nicht attestieren. In ihren Erläuterungen bleibt sie gern konkret: Sie wollte eben Männer malen. Frauen seien oft genug Objekt der Malerei gewesen. Böse gemeint sei das hingegen nicht, sie selbst lache viel beim Arbeiten.

Bis 7. April, Portikus, Frankfurt am Main

Natürlich lässt sich Madanis Kunst als lustvolle Umkehrung der oft unerträglichen Geschlechterverhältnisse deuten; als – wie hier womöglich angedeutet – tägliche Realität im Mittleren Osten zu erleben oder als Repräsentation diverser Jahrhunderte Malereigeschichte. Aber auch dann bleiben es ambivalente, comichafte Bilder und nicht wahrhaftige, nicht einmal symbolische Gegenangriffe auf die männliche Unversehrtheit. Das Lachen ist kein Auslachen aus herausgehobener Position. Man hat zugleich Furcht vor den einen und Mitgefühl mit den anderen Protagonisten. Allgemeines Unbehagen. Und manchmal geht es einfach nur wirklich lustig zu.

Am Ende taugt „Oven Light“ so vielleicht als humorvolle Mahnung, es mit der verständlichen Sehnsucht nach Aufklärung respektive Erleuchtung auch durch den Kunstbetrieb nicht allzu weit zu treiben. Zwei von Madanis Protagonisten nehmen die Suche nach dem Licht in dieser Bilderserie offenbar derart quälend wörtlich, dass sie ihren gesamten Oberkörper mitsamt Kopf in die strahlende Ofenröhre stecken.

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