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Norwegen macht mutig

Zum ersten Mal im Land der Fjorde mit Freund und dem Camper. Doch, anders als erwartet, bestimmt nicht das Wetter die Ziele der Reise. Es ist die Schönheit der Natur, die entschleunigt und die Richtung vorgibt

Berge, Wasser, Himmel: Am Byglands-fjord im Setesdal lässt sich prima übernachten Foto: Marthe Ruddat

Von Marthe Ruddat

Langsam fährt die Fähre an den kleinen Inseln vor Kristiansand vorbei. Nah am Wasser stehen vereinzelt weiße Häuser und Hütten aus Holz. So richtig bergig ist es hier noch nicht. Auch die Jetskifahrer*innen, die immer wieder am Schiff vorbeirauschen, bescheren uns nicht sofort dieses Norwegen-Gefühl, das Reiseblogs und Fotostrecken versprechen.

Da sind fast immer nur sonnengeküsste Fjorde, Wasserfälle und idyllische Hafendörfer zu sehen. Oder eben Schneelandschaften im Sonnenschein. In Sachen Sommerurlaub wurden mein Freund ich eher mit Frankreich und Italien als Traumzielen sozialisiert. Entsprechend fragende Blicke im Freundeskreis ernteten wir, als wir erzählten, dass wir uns einen kleinen Camper mieten und Ende August zwei Wochen durch Norwegen reisen würden.

Ganz unbesorgt waren wir auch nicht. Möglichst viel Sonne und wenig Regen im Sommerurlaub wollten wir schließlich auch. Doch Norwegen hat uns gezeigt, dass das Wetter hier höchstens zweitrangig ist. Stattdessen weckt das Land einen unglaublichen Entdeckergeist und eröffnet einen neuen Blick auf die Schönheit der Natur.

Das war bei unserem ersten Halt nicht sofort absehbar. Nur knapp eine Wohnmobilstunde vom Fähranleger in Kristiansand entfernt, und damit ein praktischer erster Halt nach der länglichen Anreise über Dänemark, ist Mandal, die südlichste Stadt Norwegens und so etwas wie das Klischee schlechthin. Und das ist keinesfalls negativ gemeint.

Süße kleine Kopfsteinpflasterstraßen, weiße Holzhäuser und kaum Menschen. Das änderte sich erst, als wir uns von lauter Musik in den Sjøboden pub locken ließen. Auf der Bühne im Obergeschoss durften wir das live erleben, von dem wir bisher nur gelesen hatte: Die offensichtlich außergewöhnlich gute Musikförderung in Norwegen. Fünf 16-Jährige standen da und beherrschten ihre Ins­trumente besser als so manche Musiker, die für ihre Konzerte viel Geld verlangen. So gut die Musik und wirklich unglaublich freundlich die Menschen dort auch waren, der Preis von knapp 7,50 Euro für 0,3 Liter Bier lud nicht wirklich zum langen Verweilen am Tresen ein.

Ganz anders ist das bei Mandals Stränden. Direkt neben dem Stadtzentrum beginnt der Furunden-Nationalpark und seine Strände stehen denen des Mittelmeers wirklich in nichts nach. Sjøsanden ist der längste Strand von Furunden und wirklich schön. Wir hatten aber von den vielen Stränden in der Nähe gehört und machten eine kleine Wanderung durch idyllische Kiefernwälder entlang der Küste. Entdeckt haben wir einsame kleine Buchten mit Sandstrand und malerischen Blicken auf winzige und meist unbewohnte Inseln.

Schon nach einem Tag hier waren wir so entschleunigt, dass wir uns auf der weiteren Reise einfach von der Schönheit des Landes haben treiben lassen. Es war eigentlich egal, ob wir links oder recht abbogen oder auch mal auf einer unbefestigten Straße landeten – jeder Weg führt durch atemberaubende Berglandschaften, und länger als fünf Minuten kein Wasser links oder rechts zu sehen, scheint schlicht unmöglich. Langweilig wird es trotzdem nicht.

Die Strecke durch das Setesdal ist vermutlich deshalb bei Tourist*innen so beliebt. Eine gut befestigte Straße führt hier von Kristiansand nach Telemark und bis an den Südrand der Hochebene Hardangervidda. Dort sind wir aber nie angekommen. Immer wieder hielten wir einfach an, um uns einen Kaffee zu kochen und am Wasser sitzend einfach den Ausblick zu genießen. „So etwas Schönes habe ich wirklich noch nicht gesehen“, sagte mein Freund am Byglandsfjord einmal zu mir.

Wir waren ziellos Richtung Norden unterwegs und sahen wie aus dem Nichts zwischen Landstraße und Byglandsfjord einen kleinen Strand. Bei der nächsten Gelegenheit wendeten wir und forderten unser Wohnmobil ein bisschen heraus, als wir einen Platz zum Parken suchten. Hier trotzte ich auch das erste Mal der Herausforderung des eiskalten Wassers in Norwegen. Mein Freund hatte sich schon bei 16 Grad in Mandal ins Wasser der Nordsee gewagt, da schaffte ich noch nicht mehr als die Füße. Doch der Byglandsfjord mit seinem glasklaren Wasser und der Bilderbuchumgebung ließ mich die Kälte einfach vergessen. Norwegen macht halt auch mutig.

Nachtlager am Fjord – dank Jedermannsrecht

Der Platz direkt am Wasser zwischen einigen Fichten und Felsen wurde auch unser Nachtlager. In Norwegen darf Dank des Jedermannsrechts jede*r überall sein Zelt aufschlagen, solange Anwohner*innen davon nicht beeinträchtigt werden. Das gilt zwar eigentlich nicht für fahrbare Untersätze, doch solange sich die Menschen respektvoll der Natur gegenüber verhalten und ihren Müll wieder mitnehmen, werden auch Wildcamper im Auto meist toleriert.

Ich hatte zugegebenermaßen erst kein gutes Gefühl dabei, einfach dort zu bleiben, wollte ich mich doch nicht respektlos gegenüber den Einheimischen verhalten. Die waren allerdings nicht mal in Sichtweite und als sich irgendwann im Laufe des Abends ein Norweger mit seinem Auto neben uns stellte, war ich beruhigt. Der Mann grüßte freundlich und nahm ein Bad im Fjord. Nachdem er sich sein Abendessen auf dem mitgebrachten Mini-Grill gemacht hatte, verhängte er die Scheiben seines Autos mit Warnwesten und legte sich schlafen.

Am nächsten Tag regnete es in Norwegen und es war das erste Mal, dass mir das in einem Urlaub nicht wenigstens ein bisschen schlechte Stimmung bereitete. Ich freute mich einfach darauf, wie das Land bei Regen aussehen würde – und es war kein Stück weniger schön.