EU-Urheberrechtsreform: Upload-Waaas?

Die EU-Verhandler einigen sich auf einen Text für die geplante Urheberechtsreform. Eine Handreichung für alle, die nicht mehr durchblicken.

Zwei Hände halten einen Filter durch den Wasser läuft

Hiermit kann man einiges filtern, Fotos und Filme fürs Netz allerdings nicht Foto: Najib Kalil/Unsplash

BERLIN taz | Seit Jahren wird in der EU über eine Reform des Urheberrechts gestritten, immer wieder wurden neue Texte und Kompromisse vorgelegt, nun aber geht es auf die Zielgerade: Vertreter des Europaparlaments, der EU-Staaten und der Kommission haben sich am Mittwochabend auf einen endgültigen Text für die Reform geeinigt. Weitgehend entspricht der dem Kompromiss, den Deutschland und Frankreich in der vergangenen Woche ausgehandelt haben.

EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger hatte die Reform 2016 angestoßen, um das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anzupassen. Im Kern geht es – besonders in den heiß umstrittenen Paragraphen – darum, die Betreiber großer Plattformen in die Pflicht zu nehmen, Rechteinhaber, also Künstler und Medienschaffende, zuverlässiger zu vergüten.

Das klingt zunächst einmal unterstützenswert, doch bemängeln Kritiker, dass die Maßnahmen, auf die sich die EU-Institutionen in diesem heiß umkämpften Feld nun geeinigt haben, die Meinungsfreiheit im Internet in Gefahr bringen. Besonders stark in der Kritik stehen die Artikel zum Leistungsschutzrecht (Artikel 11) und zu Upload-Filtern (Artikel 13).

Alle reden über Upload-Filter. Warum ?

Laut Artikel 13 des Vorschlags müssen Betreiber von Internetplattformen wie Youtube künftig „alles ihnen Mögliche“ tun, um Urheberrechtsverletzungen auf ihren Seiten zu verhindern. Das heißt konkret: alle hochgeladenen Inhalte, also Bilder, Tonaufnahmen und Videos, sind vor der Veröffentlichung zu prüfen.

Im Grunde gibt es zwei Varianten, wie Plattformbetreiber diese Vorgaben umsetzen könnten: Entweder sie einigen sich mit sämtlichen Rechteinhabern und kaufen alle nötigen Lizenzen. Wie das allerdings in der Praxis aussehen sollte, ist mehr als unklar, weil Plattformen wie Youtube und Facebook sich die Rechte für alles, was Nutzer potentiell hochladen könnten sicher müssten, also faktisch für jeden erdenklichen urheberrechtlich geschützten Inhalt weltweit.

Darum halten viele Beobachter es für sehr wahrscheinlich, dass die Plattformbetreiber so genannte Upload-Filter nutzen, um den Ansprüchen des Gesetzestextes gerecht zu werden. Upload-Filter sind eine technische Lösung für Urheberrechtsansprüche im Netz. Neu ist das im Grunde nicht: Plattformen wie Youtube oder Facebook prüfen heute schon automatisch, ob hochgeladene Inhalte gegen Urheberrecht verstoßen und sortieren aus, was ihnen kritisch erscheint.

Neu wäre allerdings etwas anderes: Bislang läuft es so, dass die Plattformen verpflichtet sind, zu reagieren, wenn ihnen Urheberrechtsverstöße gemeldet werden. Das heißt: es wird erst geprüft und dann gelöscht. Nun allerdings sollen die Plattformen direkt für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Was faktisch bedeutet: Um Ärger zu vermeiden, müssen sie ihre Plattformen von vornherein sauber von potentiellen Urheberrechtsverletzungen halten. Weswegen sie, so die Befürchtung, ihre Upload-Filter wesentlich schärfer einstellen müssten als bislang.

Ausgenommen von alledem wären laut dem Entwurfstext für die EU-Urheberrechtsreform lediglich Plattformen, die drei Voraussetzungen erfüllen müssen: sie müssen jünger als drei Jahre sein, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen und weniger als 5 Millionen Besucher pro Monat haben. Auf diese Ausnahmen haben sich Frankreich und Deutschland in der vergangenen Woche geeinigt und damit den Weg für den nun gefunden Textvorschlag frei gemacht. Kritiker bemängeln allerdings, dass diese Ausnahmen zu eng begrenzt seien, so dass auch viele kleine Unternehmen und Firmen von der Filterpflicht betroffen sein werden.

Was ist so schlimm an Upload-Filtern?

Wie gesagt: schon heute haben große Betreiber Upload-Filter im Einsatz. Gegner der Gesetzesvorlage befürchten aber, dass diese nun so „scharf“ eingestellt werden, dass sie auch Inhalte aussortieren, die bei näherer Betrachtung urheberrechtlich geschütztes Material legal einsetzen – beispielsweise als Zitate, Rezension oder Satire. Das, so befürchten die Kritiker des Vorhabens, würde die Vielfalt der Ausdrucksformen und der Meinungsfreiheit massiv einschränken. Hinzu kommt, dass selbst die teuersten derartigen Filter als fehleranfällig gelten.

Youtube hat im vergangenen Herbst schwarzgemalt, dass es angesichts der EU-Richtlinie gezwungen wäre, nur noch „Inhalte einiger großer Unternehmen zuzulassen“, weil die Veröffentlichung der Inhalte kleinerer Videomacher angesichts der Haftung für potentielle Urheberrechtsverletzungen „schlichtweg zu riskant“ sei. Das erregte zwar massive Unruhe bei vielen Youtubern und deren Fans, ist in dieser Form aber sicherlich ein überzogener Versuch der Plattform, ihrerseits Lobbying zu betreiben in einem Gesetzgebungsprozess, bei dem ohnehin massive Lobbyinteressen aufeinanderprallen.

Außerdem ist zu bedenken, dass zu den am häufigsten genutzten Filtern der Filter von Google zählt. Weswegen Kritiker befürchten, dass Google sich auch in diesem Bereich eine Monopolstellung erarbeiten könnte, müssten zahlreiche Plattformen Filter in Betrieb nehmen.

Das Leistungsschutzrecht steht auch wieder im Entwurf?

Ja. Und auch das verärgert viele Kritiker. Konkret geht es beim Leistungsschutz, der in Artikel 11 der Reform festgeschrieben ist, darum, dass Newsaggregatoren wie Google News oder Facebook sogenannte Snippets, also kurze Anreißertexte und Titel von Artikeln in ihren Services nicht mehr kostenlos anzeigen sollen dürfen. Im finalen Text ist nun die Rede davon, dass „einzelne Wörter“ oder „sehr kurze Ausschnitte“ erlaubt sein sollen.

Ein solches Leistungsschutzrecht ist in ganz ähnlicher Form in Deutschland bereits in Kraft. Allerdings steht auch dieses seit jeher massiv in der Kritik, unter anderem, weil es eher Prozesskosten verursacht als Einnahmen erzeugt hat. Kürzlich erachtete gar ein Gutachten des EuGH das Gesetz für nicht anwendbar. Mit dem Versuch ein Leistungsschutzrecht nun wieder auf EU-Ebene einzuführen, versuchen Verleger erneut, ihr Anliegen zu verankern. Federführend ist hier der Springer-Verlag.

Und Google hat sich im Vorfeld natürlich auch zu Wort gemeldet: Der Konzern drohte damit, seinen Dienst Google News einfach einzustellen, wenn die Regelung auf EU-Ebene kommen sollte.

Wie geht es jetzt weiter?

Zunächst verteidigt das Europäische Parlament in einer Pressemitteilung die nun gefundene Einigung, ebenso wie Axel Voss, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament und dort Chefunterhändler für die Urheberrechtsreform. „Digitaler Urheberrechtsschutz beendet endlich das Wildwest im Internet, bei dem die Rechteinhaber bisher oft untergebuttert werden“, zitiert ihn der Twitter-Account von CDU/CSU in Europa. „Es geht nicht um ‚Filtern‘, wie das von Unterstützern rechtsfreier Räume im Internet propagiert wird.“ In diesem Punkt jedoch widersprechen Voss zahlreiche Kritiker, etwa der netzpolitik.org-Gründer Marcus Beckedahl. Die Konsequenz aus der Entscheidung seien Uploadfilter.

Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen voraussichtlich bis Mitte April final zustimmen. Weil die Debatte sehr aufgeladen ist, könnte die Reform noch scheitern. Kommt es aber durch, haben die Mitgliedsländer der EU zwei Jahre Zeit, um die europäische Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln. Ziel ist es, die Reform noch vor der Europawahl im Mai durchzubringen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.