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: Tuben im Paradies

Welche Sprache wurde im Paradies gesprochen? Zugegeben, die Frage erscheint aus heutiger Sicht ähnlich naheliegend wie die angeblich einst in der Scholastik geführte theologische Debatte darum, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden (allem Anschein nach kam der Gedanke mit den Engeln und den Nadeln etwas später auf). Gleichwohl: Auf die linguistische Fragestellung gibt es eine Antwort.

Für den niederländischen Humanisten Jan van Gorp van der Beke, ein Kind der Renaissance, stand fest: Im Paradies galt als Landessprache Brabantisch. Dieser niederfränkische Dialekt des Niederländischen weist besonders viele Wörter mit einer Silbe auf. Van Gorps Argument dazu in etwa: Im Paradies beginnt die Geschichte der Menschen und damit der Sprache. Die früheste Sprache war die einfachste. Einsilbige Wörter sind besonders einfach. Brabantisch hat sehr viele solcher einsilbiger Wörter. Ergo: Im Paradies wurde Brabantisch gesprochen. Eigentlich klar, oder?

Jedenfalls hat der Gedankengang etwas Bestechendes. Dachte sich auch der Berlin lebende Tubist und Komponist Robin Hayward und schrieb für sein Ensemble Zinc & Copper ein Stück, das die Idee des Vokabulars des Paradieses in Musik übersetzt.

Neben Hayward spielen bei Zinc & Copper noch der Posaunist Hilary Jefferey und die Hornistin Elena Margarita Kakaliagou. Zu dritt erkundet man mikrotonale Tonspektren, kleine und kleinste Abstände zwischen den Tönen sind an der Tagesordnung. Dabei werden lange Tondauern bevorzugt.

In „Words of Paradise“ imitieren Zinc & Copper mit ihren Instrumenten, unterstützt durch diverse Dämpfer, vor allem verschiedene Wörter des Brabantischen. Deren schlichte Eleganz schon etwas Einnehmendes hat. So heißt „ac“ etwa „gut“, während „ca“, die Umkehrung, „schlecht“ bedeutet. Gleiches gilt entsprechend für die Wörter „alb“ – „weiß“ – und „bla“ – „schwarz“ –, die Liste ließe sich noch eine Weile fortführen.

Dieser paradiesische Trialog klingt, übersetzt in die Laute des röhrenförmigen Blechs, zunächst angemessen einfach und einvernehmlich. Erst später verzweigen sich die Harmonien immer weiter. Zwist kam im Paradies bekanntlich ja auch erst gegen Ende der Ära des Menschen dort auf.

Tim Caspar Boehme

Robin Hayward: „Words of Paradise“ (Edition Telemark)