Kommentar Diskriminierung in Russland: Europarat muss Prinzipien verteidigen

Ob die Kritik des Europarats bis zum Kreml durchdringt, kann bezweifelt werden. Die Organisation sollte aber auf der Verteidigung seiner Werte bestehen.

Ein Mann wird von Polizisten festgenommen

Polizisten nehmen auf einer Mai-Demo in Moskau einen LGBT-Aktivisten fest (Archivbild 2016) Foto: ZUMAPRESS/imago

Wie löblich, dass der Europarat das Thema Russland wieder einmal auf die Tagesordnung setzt und klare Worte zur Situation von Minderheiten findet. Die ist grausig. Vor allem Menschen mit, wie es so schön heißt, „nicht traditioneller sexueller Orientierung“, werden systematisch stigmatisiert und Opfer tätlicher Übergriffe.

Besonders krass ist das Beispiel der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien, wo homosexuelle Männer, die es dort angeblich gar nicht gibt, eingesperrt und auch zu Tode gefoltert werden. Beispiele, dass Täter für diese Verbrechen zur Verantwortung gezogen würden, sind kaum bekannt.

Befeuert werden das von Hass erfüllte Klima und der menschenverachtende Umgang mit diesen „Abartigen“ durch die Orthodoxe Kirche und führende Vertreter der Regierung. Sie sehen sich in der Pflicht, ihr Vaterland vor den Exzessen des dekadenten und verfaulenden Westens zu schützen.

Ob angesichts dieser unumstößlichen Wahrheiten die Kritik des Europarats bis in den Kreml vordringt, geschweige denn positive Folgen für die Betroffenen zeitigt, darf bezweifelt werden. Denn Moskau steht mit dieser Institution auf Kriegsfuß und das spätestens seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014. Auf den Entzug des Stimmrechts antwortete Russland mit dem Fernbleiben seiner Delegierten bei den Sitzungen sowie Einstellung der Zahlungen nach Straßburg.

Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden allenfalls partiell umgesetzt oder seit 2015 gleich ganz vom russischen Verfassungsgericht kassiert. Trotzdem gibt es immer noch unbelehrbare Idealisten, die sich für eine Lockerung der Blockade aussprechen.

Ihnen ist nur zu entgegnen: Vergesst es! Stattdessen muss der Europarat auf der Verteidigung seiner Prinzipien bestehen – ohne Wenn und Aber, schlimmstenfalls mit allen Konsequenzen. Alles andere hieße, den Hüter von Demokratie und Menschenrechten vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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