Schludrige Kontrolle

Die Elsflether Werft ist pleite, obwohl sie ein Vielfaches des angesetzten Honorars für die Sanierung der Gorch Fock erhielt. Auch bei Zulieferern sind Arbeitsplätze in Gefahr

Sieht geschlossen aus, ist es aber bislang nicht: die Elsflether Werft Foto: Mohssen Assanimoghaddam/ dpa

Von Gernot Knödler

Für die Elsflether Werft AG und die „Gorch Fock“ steht es Spitz auf Knopf. 69 Millionen Euro hat das Bundesverteidigungsministerium für die Sanierung des Segelschulschiffs überwiesen – siebenmal mehr als ursprünglich veranschlagt. Trotzdem musste die Firma Insolvenz anmelden. Wohin das Geld verschwand, ist eine offene Frage, die am Dienstag den Landtagsausschuss für Häfen und Schifffahrt beschäftigte.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind „Summen in Millionenhöhe“ nicht an Unterauftragnehmer weitergeleitet worden. 560 Jobs bei Zulieferern im Umland seien betroffen, teilte ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums im Ausschuss mit. Die Werft selbst beschäftigt 130 Leute.

Wegen explodierender Kosten hatte das Bundesverteidigungsministerium seine Überweisungen an die Elsflether Werft Ende Dezember gestoppt. Das Ministerium begründete diesen Schritt mit der „noch unklaren Situation“ – zum einen in Bezug auf den Zustand des Schiffes, zum anderen wegen eines Korruptionsvorwurfs. Ein Mitarbeiter des Marinearsenals Wilhelmshaven hatte sich deshalb selbst angezeigt.

Mit sich vervielfältigenden Kosten ist die Marine bei der Gorch Fock allerdings nicht zum ersten Mal konfrontiert. Schon 2003 hatte der Bundesrechnungshof bemängelt, dass eine Sanierung des Schiffes doppelt so teuer wurde wie geplant. Das habe unter anderem daran gelegen, dass der Zustand des Schiffes nicht richtig erfasst worden sei. Die Arbeiten hätten das Schiff für weitere 25 Jahre einsatzfähig machen sollen.

Wie der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zu entnehmen ist, blieb das Schiff aber eine Baustelle. Schon eine turnusmäßige Instandsetzung in der Elsflether Werft 2010 kostete gut sieben Millionen Euro. Dabei wurde der Stahlballast durch Blei ausgetauscht. Weil dieses nicht isoliert wurde, rostete der Rumpf, sodass er zwei Jahre später geflickt werden musste.

Trotzdem sah die Bundesregierung keinen Anlass, Regress zu fordern. Es lägen „keine Erkenntnisse dazu vor, dass im Jahr 2010 durch den Auftragnehmer Elsflether Werft AG Arbeit mit unzureichender Qualität abgeliefert wurde“, teilte sie mit.

Drei Jahre später wurde im Rahmen einer weiteren turnusmäßigen Instandsetzung, „die komplette Struktur, die Außenhaut, die Decks und die Aufbauten“ untersucht. Die Elsflether Werft erhielt den Auftrag, für 9,6 Millionen Euro das „gravierende Schadensbild“ zu beseitigen.

Bis dahin scheint aber immer noch keiner der Prüfer genau hingeschaut zu haben. „Der Gesamtumfang der durchzuführenden Arbeiten wurde erst nach Abschluss der schiffbaulichen Untersuchung sichtbar und kann als Hauptursache für die Kostensteigerung benannt werden“, heißt es in der Antwort. Sprich: Die Marine hat die Hinweise des Rechnungshofs und ihre eigenen Erfahrungen mit dem alten Schiff glatt ignoriert. Der Rechnungshof hat das Ministerium inzwischen erneut gerügt.

Zu diesen Schludrigkeiten bei der Bundeswehr kam das Gebaren des alten Werft-Managements. Gegen einen der beiden Ende Januar entlassenen Vorstände ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen Untreue. Die alte Werftführung habe ein Firmengeflecht von vielen Tochter- und Unterfirmen konstruiert, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Sie hat Millionen aus der Elsflether Werft in dieses Firmengeflecht geleitet“, so die Ministerin.

Die Marine hat die Hinweise des Rechnungshofs und die Erfahrungen mit dem alten Schiff glatt ignoriert

Die neue Geschäftsführung bringe „sehr konstruktiv und professionell Licht ins Dunkel“. Zur Insolvenz der Werft habe die Entnahme von Geldern geführt, sagte von der Leyen, nicht der zwischenzeitlich angeordnete Zahlungsstopp des Verteidigungsministeriums. Mit Stand Mitte Februar lag die Summe der Verbindlichkeiten laut Aufsichtsrat bei 24 Millionen Euro.

Die neue Geschäftsführung versucht, im Rahmen einer Insolvenz in Eigenverwaltung den Auftrag der Bundesmarine zu sichern und eine Aufhebung des seit Mitte Dezember geltenden Zahlungsstopps zu erreichen. Wirtschaftsminister Bernd Alt­husmann (CDU) hatte Hilfen für die Werft in Form von Landesbürgschaften nicht ausgeschlossen.

Im Ausschuss sei aber sehr deutlich geworden, „dass Bürgschaften des Landes frühestens diskutiert werden dürfen, wenn die Insolvenz abgeschlossen ist und Investoren Interesse zeigen“, sagte die FDP-Landtagsabgeordnete Hillgriet Eilers.

Die betroffenen Zulieferer hätten noch keinen Kontakt zum Wirtschaftsministerium aufgenommen, teilte die Landesregierung im Ausschuss für Häfen und Schifffahrt mit. Es gebe auch noch keinen Kontakt zur neuen Geschäftsführung der Werft. Ziel müsse es nun sein, alle Unregelmäßigkeiten zügig aufzuklären, um die Arbeiten fortzusetzen. Dafür wolle sich das niedersächsische Ministerium einsetzen.