Deutsche Waffen, Bremer Geld

Die ehemalige „Beluga“-Reederei soll mit dem BND Panzer nach Myanmar verschifft haben – trotz EU-Embargo. Ein Verfahren gegen einen BND-Mitarbeiter wurde in Bremen eingestellt

Von diesem geheimen Hafen in der Ukraine verschifften Beluga und BND nach Myanmar Foto: Radio Bremen/ Kinescope Film GmbH

Von Jean-Philipp Baeck

Kriegswaffenexporte in Krisengebiete: Die ehemalige Bremer Reederei „Beluga“ von Niels Stolberg soll mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) Panzer über einen geheimen Hafen in der Ukraine ins südostasiatische Myanmar verschifft haben. Das berichtete Radio Bremen in einer Dokumentation am Montagabend im Ersten.

Die Operationen sollen demnach streng geheim gewesen und an den zuständigen Bundesbehörden vorbei abgewickelt worden sein: „im toten Winkel von Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz“, wie Radio Bremen in einem Vorabbericht schreibt. Schiffe von mindestens zwei deutschen Reedereien seien an den Exporten beteiligt, vier Beluga-Schiffe in geheimen Dokumenten explizit genannt worden. Ladelisten und Staupläne zeigten, dass die Reederei immer wieder Kriegswaffentransporte geplant und durchgeführt habe. Involviert gewesen sei auch ein BND-Mitarbeiter mit Decknamen „Klaus Hollmann“.

Zur Motivation des Auslandsgeheimdienstes, sich bei den Waffenlieferungen einzubringen, sagte ein Sprecher von Radio Bremen der taz: Das Ziel des BND seien die Informationsgewinnung und Insiderwissen über weltweite Waffenströme gewesen. Die Kontrollgremien des Bundestages sind darüber allerdings nicht informiert worden.

Viele der Fragen, die sich an die Rechercheergebnisse anschließen, sind wohl auf Bundesebene zu klären. Denn wenn es um die Ausfuhr von Rüstungsgütern und Kriegswaffen geht, ist der Bundessicherheitsrat als geheim tagender Kabinettsausschuss zuständig – sowie das „Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle“.

Ein Jahr nach der Verurteilung des Ex-Chefs der Bremer Beluga-Reederei, Niels Stolberg, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Über eine Revision, die Stolberg beim Bundesgerichtshof eingelegt hatte, ist noch nicht entschieden worden.

Stolberg ist wegen gemeinschaftlichem Kreditbetrug und Untreue in besonders schwerem Fall zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Bevor Stolbergs betrügerisches Finanzierungssystem 2011 aufflog, hofierten ihn Bremer Medien und Politik als Hoffnungsträger.

Doch mindestens eine Stelle des Berichts wirft auch Fragen an die Bremer Staatsanwaltschaft auf. Die soll im Zuge des Prozesses gegen die Beluga-Reederei (siehe Kasten) versucht haben, Stolberg und den BND-Mitarbeiter „Hollmann“ als Beschuldigten anzuklagen – wegen der Waffenlieferungen nach Myanmar. Die verstoßen laut Radio Bremen gegen ein EU-Embargo und damit gegen das Völkerrecht. Doch die Anklage wurde fallen gelassen. „Dem BND gelingt es, ‚Klaus Hollmann‘ aus dem Prozess herauszuhalten“, schreibt jetzt Radio Bremen.

Wie aber kann das passieren? Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, sagte der taz am Montag, diese Darstellung sei etwas „missverständlich“. Tatsächlich hätten die Ermittlungen gegen „Hollmann“ eingestellt werden müssen. Zweifel an den Waffengeschäften bestünden nicht. Aber es habe kein Verstoß gegen das Völkerrecht vorgelegen, erklärte Passade. Grund dafür ist demnach wohl eine absurde juristische Lücke: Zwar gibt es ein Embargo der EU gegen Myanmar wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen. Laut Passade sei in einem Anhang zu der Verordnung sogar explizit der Name des Verbindungsmannes von Stolberg und Co. als einer derjenigen genannt, mit denen keine Geschäfte gemacht werden dürfen. Der hochrangige Militär habe in diesem Fall aber Panzer in Vertretung für ein Ministerium gekauft – und damit nur im Auftrag gehandelt, so Passade.

Auch Bremer PolitikerInnen fordern nun Informationen über den Fall. „Das muss aufgeklärt werden, dafür machen wir uns stark“, erklärte etwa Matthias Koch, Sprecher der SPD-Fraktion. Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende der Linken, erinnerte daran, dass Bremen als Hafenstadt auch bei der legalen und genehmigten Ausfuhr von Rüstungsgütern eine besondere Rolle zukommt. Zuletzt berichtete der Senat darüber, dass 2017 allein über 14.000 Tonnen an Patronen von Bremen aus exportiert wurden.

In der ARD-Mediathek: „Die Akte BND: Waffengeschäfte deutscher Reeder“ von Rainer Kahrs