Recht auf Heimat für IS

In einem Antrag an die Bürgerschaft fordert die Links-Fraktion, der Senat möge sich um die Aufnahme dschihadistischer Hamburger aus dem Nahen Osten kümmern

Bei Rückkehr Sicherheitsrisiko: posierende IS-Kämpferinnen Foto: syriadeeply.org/dpa

Von Gernot Knödler

Was geschieht mit den Hamburgern, die sich in Syrien und im Irak dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen haben? Die Linksfraktion in der Bürgerschaft hat den Senat aufgefordert, sich für eine Rückkehr dieser Menschen einzusetzen und sich um deren Reintegration zu kümmern. Der Anwalt Mahmut Erdem, der die Familien von IS-Kämpfern vertritt, begrüßt die Initiative.

„Der Senat unterschätzt die auf uns zu kommende Problematik“, warnt die Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir. „Die gefangenen deutschen IS-Kämpfer gehören nach Deutschland.“ Sie seien schließlich Deutsche und hätten sich hier radikalisiert. Deutschland dürfe dieses Problem nicht auf die Kurden in Nordsyrien abwälzen.

Das Scheitern des IS führte viele seiner Kämpfer in kurdische Gefangenschaft. Von 86 Männern und Frauen, die nach Angaben des Hamburger Verfassungsschutzes Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, kamen bisher an die 30 zurück, etwa 20 fanden den Tod, sodass mit rund 40 potenziellen Rückkehrern aus kurdischer Gefangenschaft zu rechnen ist. Dazu gehört noch eine Handvoll Kinder, die nach Angaben der Linken in den Lagern „unter sehr harten Bedingungen teils mit ihren Müttern, aber auch ohne leben“.

Die Linke hält es für eine moralische Pflicht Deutschlands, seine Staatsbürger zurückzunehmen. Schließlich hätten die Kurden große Opfer im Kampf gegen den IS gebracht – „und das nicht um ihrer selbst willen, sondern auch, um die ganze Menschheit von diesem Terror zu befreien“, sagt Özdemir.

Deshalb solle der Senat dafür sorgen, dass die Bundesregierung Kontakt mit der kurdischen Autonomieverwaltung in Nordsyrien aufnimmt, um eine Rückkehr deutscher Staatsangehöriger aus den dortigen Lagern einzuleiten. Des Weiteren solle der Senat Eckpunkte zum Umgang mit den Rückkehrern erarbeiten und die Haushaltsmittel für Rückkehrerberatung sowie die Kinder-, Jugend und Familienarbeit aufstocken.

„Deutschland darf sich jetzt nicht zurücklehnen und seine Zuständigkeit leugnen“

Cansu Özdemir, Fraktionschefin Die Linke

In Hamburg arbeitet die Beratungsstelle Legato, eine Fachstelle für religiös begründete Radikalisierung, an der Reinte­gration und Resozialisierung von IS-Rückkehrern. Die Kapazitäten dafür hält der Legato-Sozialarbeiter André Taubert für ausreichend. Die Arbeit mit Rückkehrern mache nur zehn bis 15 Prozent der Tätigkeit der Beratungsstelle aus. „Im Moment würde man in den luftleeren Raum aufstocken“, sagt er.

Aus Sicht des Anwalts Erdem reicht dieses Beratungsangebot nicht. Die traumatisierten Kinder der Rückkehrer bräuchten sozialpädagogische Betreuung, die Frauen und Männer familientherapeutische Hilfen und ein Resozialisierungskonzept.

„Diese Frauen kommen aus dem Krieg“, sagt Erdem – dafür gebe es in der Stadt keine Hilfestruktur. „Das haben wir schon erlebt, als die fortgingen“, erinnert sich der Anwalt, der einen Kreis betroffener Eltern mitgegründet hat. Die Hälfte dieser 30 Dschihad-Reisenden sei heute tot. Hamburg dürfe sich nicht länger wegducken, schließlich sei es eine Hochburg des IS gewesen.