Jagd auf die Jäger

Der Konflikt zwischen den Wolfsschützern und den Behörden in Niedersachsen eskaliert. Umweltminister Olaf Lies (SPD) kritisiert, dass die Schützen, die den zum Abschuss frei gegebenen Rodewalder Wolf erlegen sollen, an den Pranger gestellt werden

Jäger oder Spaziergänger: Im Rodewalder Wald wird jetzt kontrolliert Foto: Philipp von Ditfurth

Von Gernot Knödler

Lebt gefährlich, wer sich dazu bereit findet, einen für problematisch befundenen Wolf abzuschießen? Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) hält das zumindest für denkbar und sich selbst entsprechend mit Details zu der anstehenden Tötung des Wolfsrüden GW 717m zurück.

Der Leitwolf des Rodewalder Rudels ist der zweite Wolf, der in Niedersachsen mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung geschossen werden soll. Bei Facebook schlagen deshalb die Wogen hoch und auch in der freien Wildbahn: Selbsternannte Wolfsschützer patrouillieren im Revier des Rudels.

Die Petition „Bitte rettet Roddy, den Vaterwolf des Rodewald Rudels in Niedersachsen vor dem Abschuss“ unterzeichneten bis dato mehr als 26.000 Menschen. Wie er auf Facebook ausführlich protokolliert, ist Ini­tiator Christian Berge fast täglich im Revier des Rodewalder Rüdens unterwegs. Er dokumentiert Sachverhalte wie einen auffälligen Hubschrauberflug, Färsen und Kälber, die fast ohne Schutz „an einem der Wohnzimmer“ des Rudels weideten.

Berge, der selbst Wolfshunde hält, argumentiert, dass Wolfsabschüsse kein Thema wären, würden die Nutztiere nur gut genug geschützt: „Wir führen keinen Krieg sondern tuen (sic!) alles, damit die örtlichen Nutztierhalter ihren Tieren helfen, indem sie so gut es geht, wolfsabweisend einzäunen.“

Wie Lies vor dem Umweltausschuss des Landtages belegt hat, sind andere Wolfsfreunde allerdings wesentlich weniger entspannt unterwegs. „Sorgt dafür, dass bekannt wird, wer der Jäger ist, der geschossen hat – und macht ihm das Leben zur Hölle“, heißt es da. Und rhetorisch gefragt: „Darf man eigentlich für diesen Herrn Dammann-Tamke einen gezielten Abschuss fordern, um den (sic!) Wachstum von solcher Dummheit einzudämmen“?

Dabei will sich Helmut Dammann-Tamke, CDU-Abgeordneter im Landtag und Vorsitzender der Landesjägerschaft, eigentlich raushalten. „Wir haben unseren Mitgliedern empfohlen, sich da nicht einzubringen“, sagt Dammann-Tamke. Denn beim Abschuss des Rodewalder Rüdens handele es sich gar nicht um Jagd, sondern um eine Entnahme nach Naturschutzrecht. Die geschützten Wölfe unterlägen nicht dem Jagdrecht und deshalb habe die Landesjägerschaft damit auch nichts zu tun. „Wir wollen uns nicht ohne Not in diese Schusslinie werfen“, sagt Dammann-Tamke.

Einig mit dem Minister sei er sich allerdings, „dass alles getan werden muss, um die Identität der Leute zur schützen, die zur Entnahme unterwegs sind“. In der Landesforst- oder Nationalparkverwaltung gebe es genügend Leute mit der erforderlichen Qualifikation für den Abschuss. „Das sind Landesbeamte, die in meinen Augen dienstverpflichtet werden können“, sagt Dammann-Tamke.

„Wir erleben es immer wieder, wie auf unangenehmste Art und Weise Namen und Mutmaßungen veröffentlicht werden“, sagte Umweltminister Lies der Nordwestzeitung. „Wir haben eine Maßnahme, die rechtsstaatlich angeordnet ist, durch zwei Gerichte bestätigt wurde und trotzdem sehen sich diejenigen, die das vor Ort umsetzen müssen, einem öffentlichen Druck und Anfeindungen ausgesetzt, die ich für absolut unzumutbar halte.“

Bei Mitteilungen zum konkreten Vorgehen bei der „Entnahme“ sei er so zurückhaltend, „weil wir den richtigen Wolf sicher töten wollen“. Störungen vor Ort seien dabei unerwünscht. Außerdem gelte es, die Beteiligten zu schützen.

„Wir erleben es immer wieder, wie auf unangenehmste Art und Weise Namen und Mutmaßungen veröffentlicht werden“

Olaf Lies (SPD), niedersächsischer Umweltminister

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) begründete die Ausnahmegenehmigung zum Abschuss damit, dass der Rüde gelernt habe, eine Rinderherde anzugreifen, die sich eigentlich selbst schützen könne und mehrfach Rinder gerissen habe. „Es ist davon auszugehen, dass der Rüde dieses Verhalten auch an seine Nachkommen weitergibt“, sagte Lies. Um Schaden von der Weidewirtschaft abzuwenden, sei es nötig, das Tier zu schießen.

Der Naturschutzbund (Nabu) hält dem NLWKN allerdings vor, von fachlich falschen Voraussetzungen auszugehen: „Die generelle Annahme, bei Rindern würde eine Herde, bestehend aus ausgewachsenen und jungen Tieren, ausreichend Schutz vor Wolfsgangriffen bieten, ist falsch.“ Denn das Verteidigungsverhalten von Mütterkühen könne je nach Rasse sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.

Zwar schätzt auch der Nabu das Rodewalder Rudel als kritisch ein, da es gelernt habe, junge Rinder, Kälber und junge Pferde zu reißen. Das Land habe aber grob fahrlässig gehandelt, indem es nicht dafür gesorgt habe, dass die Herden geschützt wurden. „Das Land muss dringend öffentlich fordern, dass Herdenschutzmaßnahmen sofort ergriffen werden, wenn erste Risse in einem Wohngebiet erfolgen“, sagt der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann.

Dem Rodewalder Rüden ist es bisher gelungen, sich den Nachstellungen zu entziehen. Doch nachdem das Lüneburger Oberverwaltungsgericht die bis Ende Februar geltende Ausnahmegenehmigung zum Abschuss letztinstanzlich bestätigt hat, verlängerte das Ministerium die Genehmigung bis zum 31. März. Das Katz-und-Maus-Spiel geht weiter.