„Ich glaube nicht an Plakat-Aktionen“

Volleys-Chef Kaweh Niroomand glaubt, dass die Werte des Sports besser vermittelt werden müssen. Ein Gespräch über soziale Projekte gegen rechte Tendenzen

Kaweh Niroomand

geboren 1952, lebt seit 1973 in Berlin. Er ist Geschäftsführer des deutschen Volleyball-Meisters BR Volleys und Sprecher der Berliner Profiklubs. Der gebürtige Iraner hat in Deutschland Bauingenieurwesen studiert

Interview Alina Schwermer

taz: Herr Niroomand, Sie haben mal in einem Interview über Rechtsextremismus einen interessanten Satz gesagt: Wir wollen als Sport nicht Leute abschrecken, sondern Leute zusammenführen, und uns trotzdem klar positionieren. Wie funktioniert das?

Kaweh Niroomand: Der Sport darf keine Parteipolitik machen. Wir wollen nicht aufrufen, morgen eine bestimmte Partei zu wählen. Aber wir müssen unsere Werte viel deutlicher machen und uns damit abgrenzen. Wenn Sport für Integration, für Inklusion und so weiter ist, heißt das, dass er für bestimmte Gruppen wie Rechtsextreme nicht infrage kommt. Wir müssen bei den öffentlichen Debatten die Räume besser besetzen mit den Werten des Sports, geprägt von der ursprünglichen Idee von Olympia.

Das ursprüngliche Olympia hat doch viele Gruppen ausgeschlossen, etwa Frauen und Arbeiter. Ist Sport wirklich so integrativ?

Es hat eine Entwicklung stattgefunden, die Schwachstellen zu beheben. Schauen Sie, welche Aufmerksamkeit der Behindertensport heute bekommt. Der Ursprungsgedanke des Sports ist Verständigung.

Wie hilft das gegen Rechtsextremismus?

Wir haben bei den Volleys kein Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus. Damit wären wir auch überfordert als Verein. Aber wir haben viele soziale Projekte, die verhindern können, dass rechter Populismus oder auch linker Populismus an Gewicht gewinnen. Wir unterstützen seit Jahren die Herzstiftung und die Suchtklinik der Vivantes, und als neuestes Projekt Obdachlose mit der Bahnhofsmission. Populisten haben dann weniger Chancen. Das ist auch Aktion gegen Rechts.

Warum tun Sie nichts konkret gegen Rechtsextremismus?

Das ist vielleicht eher eine praktische Frage. Wir haben viele andere Themen, es ist ein zeitliches Problem und ein Ressourcenproblem. Mit einer Stellungnahme ist es ja bei dem Thema nicht getan, es geht um Nachhaltigkeit.

Der Fußball hat mit seinem Engagement für Toleranz neue Maßstäbe im Sport gesetzt. Was hat das eigentlich mit den anderen Sportarten gemacht?

Natürlich war das ein guter Anstoß. Aber beim Fußball war es auch sehr konkret nötig, durch rechte Tendenzen in den Fanszenen. Rechtsextremisten suchen sich immer die große, dunkle Masse. In den anderen Ballsportarten, auch im Volleyball, haben wir so was nicht, da gibt es niemanden, der Bananen auf ausländische Spieler wirft. Deshalb war eine Reaktion bislang nicht notwendig. Aber den Anstoß, dass man aufmerksam sein muss, haben wir aufgenommen.

Fehlt Ihnen mit weniger Masse aber nicht auch der Motor, um Aktionen zu starten? Im Fußball wird der Kampf gegen Rechtsextremismus vielfach von Fans getragen.

Wenn irgendwo ein Problem herrscht, entwickelt sich natürlich eine Gegenbewegung. Aber ehrlich gesagt, mir ist es lieber, dass wir den Motor nicht brauchen.

Warum sollten sich Sportvereine überhaupt gegen Rechts positionieren? Musikschulen oder Freizeitvereine tun es ja meist auch nicht.

Es macht für Sportvereine keinen Sinn, ein Pamphlet rauszugeben. Wenn ein Verein rechte Tendenzen bemerkt, muss er konkret was tun. Wenn es keine gibt, haben aber gerade die Profivereine, die Leuchttürme, trotzdem eine Botschaft zu verkünden. Es ist nachhaltiger, wenn man dabei Position bezieht.

Berührt das den durchschnittlichen Fan?

Ich bin überzeugt, dass Sportler einen riesigen Einfluss auf die Meinungsbildung haben.

Wirklich? Sie glauben, eine einzige Plakat-Aktion kann die Meinung von vielen Sportfans ändern?

Nein, ich glaube nicht an Plakat-Aktionen. Ich glaube an Nachhaltigkeit.

Im vergangenen Jahr gab es viel Aufmerksamkeit für Peter Fischer, den Präsidenten von Eintracht Frankfurt, der gesagt hat, niemand könne bei ihnen Mitglied sein, der die AfD wählt.

Ich fand es toll, was er gesagt hat, und mutig. Ich finde es aber nicht unbedingt richtig, denn damit macht er die AfD wichtiger als sie ist. Grundsätzlich würde ich die Herausforderung annehmen, sich mit AfD-Wählern auseinanderzusetzen. Wenn ein Mitglied sich etwa antisemitisch äußert, würden wir es natürlich ausschließen. Aber Pauschalurteile helfen nur der AfD.

Haben Randsportvereine wie Sie mehr Sorgen, mit einer Positionierung gegen Rechts Menschen zu verprellen?

Nein, das haben wir nicht. Und ich sehe uns auch nicht als Randsportverein.

Im vergangenen Jahr hatten Sie eine gemeinsame Aktion der Berliner Profivereine gegen Rechts angekündigt. Warum ist daraus eigentlich nichts geworden?

Wir sind in dem Prozess noch nicht am Ende. Das ist eher der Tagesarbeit geschuldet. Als wir darüber diskutiert haben, war gerade Sommerpause. Dann kamen der Alltag und die Alltagsprobleme, und es ist etwas in Vergessenheit geraten. Aber Einigkeit, dass wir was machen wollen, gibt es.