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Mobbing von oben

Wenn der Vorgesetzte gezielt Untergebene degradiert: Was tun bei Bossing? Das raten Gewerkschaft und Selbsthilfeverein

Vergiftetes Klima: Bossing-Opfer müssen viel aushalten. Allein ist dem Druck durch die Vorgesetzten kaum beizukommen Foto: Abb.: Mohamed Hassan/PxHere (CC0)

Von Anja Junghans-Demtröder

Methodischer Psychoterror überall? In beinahe allen Lebensbereichen wird heute über Mobbing geklagt. Hochrechnungen zufolge waren bis zu 25 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Mobbingfälle verwickelt; die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen. Eine besonders kritische Variation dabei findet sich im Berufsleben: Bossing, Vorgesetze also, die ihre Untergebenen am Arbeitsplatz mobben.

Berthold Bose leitet bei der Gewerkschaft Ver.di den Landesbezirk Hamburg. Er weiß, dass Bossing-Opfer nicht jeden Fall auch öffentlich machen – aus Scham oder Angst. „Betroffene werden über lange Zeit zermürbt und verinnerlichen diese Kritik“, sagt er. „Ihre Selbstsicherheit schwindet.“ Bose und die Gewerkschaft Ver.di wollen unterstützend wirken bei der Erarbeitung von Konfliktlösungen und der Aufklärung am Arbeitsplatz.

Anders als beim klassischem Mobbing wirkt sich beim Bossing die Position in der Unternehmenshierachie besonders aus: Das Opfer ist ausgerechnet der Person untergeordnet, von der es gemobbt wird. „Oft haben Angestellte ihre Aufgaben viele Jahre gut verrichtet, bis sie in Ungnade fallen“, führt Bose aus. Die Gründe seien vielfältig – was dann folgt, ist einigermaßen klar definiert: Willkürliche Schikanen und fiese Sprüche degradieren die Arbeitnehmer*in zunehmend. „Natürlich achte ich Ihre Leistung“, heißt es dann vielleicht – „nur geringer als die meine.“

Druck wird weitergegeben

Zunehmend werden dann Tätigkeiten angeordnet, zugleich sinnlos und überfordernd. Hinzu kommt oft, dass eigentlich eindeutig vereinbarte Privilegien infrage gestellt oder entzogen werden. Fehler werden unterstellt, herabwürdigende Kritik wird geäußert, auch in Gegenwart anderer. Den Kolleg*innen könne das signalisieren: „Schließt euch dem Mobbingzug an“, sagt Gewerkschafter Bose.

Aber welche Gründe haben Chef*innen dafür, so aufzutreten? Druck , unter dem sie selbst sehen, kann mit im Spiel sein: Manche Vorgesetzte nehmen eine*n Mitarbeiter*in als Konkurrenz wahr – vielleicht sogar als echte Bedrohung für sich selbst. Bossing zielt dabei nicht auf eine Lösung der Situation ab, nicht auf eine Verhaltensänderung der Mitarbeiter*in. Es gehe um die erzwungene, vermeintlich freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes, so Bose, „die durch verbale Attacken oder schlichte Ausgrenzung erreicht wird“: Da soll jemand weg.

Ein Beispiel: Ein junger Mann gerät ins Visier seines Chefs, der sein Verhalten auf Schritt und Tritt beobachtet, ja: jede Handlung des Mitarbeiter aufzeichnet. Als diese Maßnahme nicht den offenbar erhofften Erfolg hat, beginnt der Vorgesetzte den Mitarbeiter auszugrenzen: Dieser wird in einen neuen Raum versetzt – ohne Kommunikationsmittel und ohne Aufgaben. Und rasch sah der Betroffene sich wiederum unter Verdacht gestellt: Nun unterstellte man ihm Arbeitszeitbetrug. Der Arbeitnehmer geht vor Gericht, klagt auf Beschäftigung während der Arbeitszeit. Er gewinnt – und findet sich in einer anderen Abteilung wieder, zu schlechteren Konditionen.

Betroffene sollten den Mobbingverlauf unbedingt genau protokollieren, rät Alfred Fleissner, Mobbing-Experte bei Klima e. V. in Hamburg. Weiterhin sollten sie das Gespräch mit dem Betriebsrat suchen – sofern vorhanden – oder eine Mobbing-Beratungsstelle konsultieren. „Radikale Anfeindungen“ durch Vorgesetzte, sagt Fleissner, „können zu gesundheitlichen Problemen führen“.

Bleiben Bossing-Opfer im unheilvollen Laufrad der permanenten Rechtfertigung gefangen, könne im schlimmsten Fall ein Burn-out-Syndrom auftreten oder eine Depression. Noch ein Fallbeispiel: Ein langjähriger Mitarbeiter deckt Missstände in einem größeren Unternehmen auf – eigentlich eine korrekte Handlung. Ausgerechnet der Chef aber hatte die Verfehlungen gedeckt – und legte dem Aufdecker die Kündigung nahe. „Als das nicht funktionierte wurde mein Klient in die Krankheit gebosst.“

Konfliktbelaste Kommunikation

Fleissner betrachtet Bossing als konfliktbelastete Kommunikation, die durch Stresseinwirkung auf die Führungsebene entsteht und in negativen Fällen auf Mitarbeitende übertragen werden kann. „Ein schlecht gelaunter Boss vergiftet das Betriebsklima erheblich“, sagt er. „Er wird unsicher und fängt an zu bossen.“ Und angesichts des Machtgefälles könnten einzelne Beschäftigte dagegen wenig tun.

Klima hat sich für Menschen gegründet, die aufgrund unzulässiger Methoden am Arbeitsplatz belastet sind. Der Hamburger Verein bietet kostenlose Gruppenveranstaltungen zum Thema an. Der Gesprächskreis „Betriebs-Klima“ etwa will Menschen, die sich im Berufsleben in einer solchen Konfliktsituation befinden, Orientierung bieten – in der Regel „unter der Moderation einer erfahrenen Fachkraft“, so Fleissner. Das Coaching soll Hilfe zur Selbsthilfe sein mit dem Ziel, das durch Bossing verlorene Selbstvertrauen wieder aufzubauen.

Die Selbsthilfegruppe „Krank durch Mobbing“ trifft sich jeweils am ersten Freitag im Monat, alles Nähere weiß Joachim Gollub (j.gollub@klimaev.de). „Stark werden bei Mobbing“ ist eine Gruppe überschrieben, die jeweils am dritten Freitag zusammenkommt (Kontakt: Ralf Klaß, r.klass@klimaev.de).

Klima e. V., Geschäftsstelle: ☎040/33 44 25 57, Beratungstelefon: ☎040/55 00 99 24,Mail: klimaev@t-online.de, www.mobbing-abwehr.de

Informationen zu Mobbing/Bossing hat auch Labournet gesammelt, der „Treffpunkt der gewerkschaftlichen Linken mit und ohne Job“: www.labournet.de/category/politik/alltag/arbed/mobbing