Rollenbilder von Jugendlichen: „Mama legt die Wäsche gefaltet hin“

GymnasiastInnen reden über Jungs bei der Hausarbeit, schwangere Führungskräfte und #MeToo. Die Aussagen sind sehr unterschiedlich.

eine Frau kniet vor einem Wäschetrockner

Das scheint auch 2019 für ein gängiges Rollenbild für Jugendliche zu sein. Bitter Foto: dpa

taz: Habt ihr euch schon mal Gedanken über Rollenbilder bei Männern und Frauen gemacht?

Lara: Ich finde immer, man kann über so Rollen gut mit den Großeltern reden. Mein Papa erzählt oft: „Deine Oma war auch immer Hausfrau.“ Da merkt man dann die Unterschiede zwischen den Generationen.

Henrike: Wir haben in der Familie darüber gesprochen, wie das ist, wenn Mädchen und Jungen befreundet sind. Wenn ein Mädchen mit vielen Jungen befreundet war, hieß es früher zum Beispiel: „Die ist leicht zu haben.“ Ich finde, das ist zum Glück gar nicht mehr so.

taz: Kennt ihr aus der Schule noch andere solche Sprüche über Jungen oder Mädchen?

Henrike: Es gibt schon Leute, die so was sagen wie „Frauen gehören an den Herd“. Das nimmt man aber nicht ernst, eher so als blöden Witz. Wenn das ernst gemeint wäre, würde ich mich schon fragen, was bei denen schief ist. Ich meine – es gibt keinen Grund, warum Männer nicht kochen sollten. Warum gibt es eigentlich über Frauen komische Sprüche, aber über Männer nicht?

Justus: Also wenn man mit einem Mädchen einkaufen geht, hört man schon manchmal: „Da hättest du in der Zeit auch was Besseres machen können.“ Aber der Spruch mit dem Herd gefällt mir!

Berenike: Das meinst du doch nicht ernst! Meinst du das ernst?

Justus: Nein! Natürlich ­nicht.

Berenike, Henrike, Jonas, Lara und Sarina (alle 17) und Justus (18) sind SchülerInnen der elften Klasse an einem Gymnasium im Sauerland. Bei der Recherche zu #MeToo in der Schule kam eine intime Diskussion zwischen ihnen auf – wir verwenden hier nur ihre Vornamen, damit später niemand beim Googeln zufällig auf ihr Gespräch stößt.

Henrike: Sag ich ja. Viele benutzen das einfach zum Spaß.

Berenike: Stimmt, wir haben auch eine Gruppe, die zum Spaß immer rassistische Sachen sagt. Also rechtsextreme. Letztens hat ein Junge zum Beispiel so den Arm gehoben …

Henrike: Also die meinen das schon ernst, glaube ich. Unser Lehrer, Herr D., hat da aber auch richtig was zu gesagt. Zu den blöden Sprüchen – manche sagen auch: „Männer gehen nicht tanzen, das ist was für Frauen.“

Berenike: Stimmt, ich dachte erst, dass in der Diskofoxgruppe nur Mädchen sind, aber jetzt sind es ja doch ein paar Jungen.

Henrike: Und ich muss trotzdem die Männerposition tanzen.

Justus: Bei mir haben erst welche gelacht, als ich da reingegangen bin, die meinten so: Justus und Tanzen, aber das mit Diskofox in der Turnhalle finden eigentlich fast alle gut. Aber wenn ein Junge gut kochen kann oder Sachen im Haushalt macht, lachen die anderen schon. Ich meine, die Vorstellung, wie ich Wäsche mache, ist schon lustig.

Henrike: Warum lustig?

Justus: Ich weiß nicht, irgendwie schon.

Berenike: Jonas, was hast du denn für Aufgaben im Haushalt?

Jonas: Keine. Wenn meine Mama die Wäsche gefaltet hinlegt, räume ich die in den Schrank.

Henrike: Krass!

Sarina: Echt?

Berenike: Also wenn ich Mutter würde, will ich auch, dass die Kinder helfen. Ich will ja nicht Hausfrau werden!

Justus: Soll das dann der Mann machen oder was? Der arbeitet doch den ganzen Tag!

Berenike: Aber ich doch auch. Du gehst also davon aus, dass der Mann mehr arbeitet?

Justus: Schon. Ist ja auch ökonomisch sinnvoller, Männer verdienen im Schnitt mehr.

taz: Ja, wenn man das Gehalt von allen Männern und Frauen vergleicht, verdienen die Frauen 21 Prozent weniger als die Männer. Aber das ist ja kein Naturgesetz, woran liegt das denn eurer Meinung nach?

Justus: Das kommt wahrscheinlich auch dadurch, dass die Frauen sich lange nicht gewehrt haben.

Lara: Ich würde auch eher einen Mann einstellen, der wird ja nicht schwanger und fällt dann aus. Also so, dass es insgesamt gleich verteilt ist, aber in Führungspositionen vielleicht doch eher einen Mann.

Justus: Wenn man das von der Firma aus betrachtet, ist das auch ein ökonomischer Faktor, das macht schon Sinn.

Sarina: Die ganze Einstellung gegenüber Frauen müsste aber geändert werden. Ich wollte im Sommer einen Ferienjob machen und da war eigentlich noch etwas frei. Die haben mir aber abgesagt, weil sie meinten, dass man da auch Kisten schleppen muss. Aber im Ernst, ich kann das doch genauso.

Berenike: Stimmt, die Lehrer sagen immer: „vier starke Jungs zum Bücherschleppen“. Bücher, als wären die so schwer!

Henrike: Außer Frau P., die sagt immer: „vier starke Jungen und Mädchen“. Ich habe aber zum Beispiel ein Praktikum in einer Tischlerei gemacht, und wirklich jeder war verwundert, mit dem ich drüber gesprochen habe. Dabei haben dort der Tischler, seine Frau, eine Gehilfin und ein Azubi gearbeitet, das war halbe-halbe.

Justus: Manche Jobs werden von Frauen aber auch nicht so gerne gemacht. Beim Wertstoffhof hier habe ich zum Beispiel noch nie eine Frau gesehen. Aber an den Grundschulen gibt es mehr Frauen. Bei mir gab es nur Lehrerinnen, außer dem Direktor, das war ein Mann.

Henrike: Bei mir auch! Und der Hausmeister.

Berenike: Waren wir auf der gleichen? Das war bei mir genauso!

taz: Wenn ihr Kinder kriegen würdet, wie lange könntet ihr euch denn vorstellen, zu Hause zu bleiben?

Berenike: So ein halbes Jahr vielleicht.

Sarina: Nur so kurz? Ich würde schon drei Jahre zu Hause bleiben wollen.

Henrike: Man kann ja auch halbtags arbeiten.

Justus: Na, das kommt schon drauf an, welchen Job man hat.

Lara: Mir ist wichtig, dass der Mann auch dazu bereit ist, zu Hause zu bleiben. Wenn das bei mir im Job nicht so gut geht zum Beispiel.

taz: (zu Justus und Jonas) Ihr beiden habt ja immer noch nichts gesagt. Wie lange könntet ihr euch das vorstellen?

Justus: Zehn Minuten.

Henrike: Haha.

Justus: Nee … man kann ja auch von zu Hause arbeiten in manchen Jobs. Und hier an der Schule sieht man auch, wie das klappt. Zwei Lehrer haben jetzt zusammen ein Kind gekriegt – dann war erst sie weg und er dann irgendwann auch. Er ist aber, glaube ich, schon wieder zurück.

Henrike: Also ich finde, man sollte als Mutter nach einer längeren Zeit auch das Recht haben, in den Job zurückzugehen.

Berenike: Ich finde, das fällt schon auf – wenn man in Reli so was sagt wie: „Ich will keine Hausfrau sein“, kommt gleich: „Bist du Feministin oder was?“

taz: Ist das denn was Gutes oder was Schlechtes?

Berenike: Keine Ahnung. Es sagen zumindest viele, dass es was Schlechtes wäre.

Henrike: Ich weiß nicht so genau. Vielleicht wird das einfach oft falsch verstanden. Manche übertreiben das aber auch.

Berenike: Genau, es sollte halt nicht so übertrieben sein, dass man sagt, dass die Frauen besser wären. Aber ich bin auch für Gleichberechtigung.

taz: Habt ihr das Gefühl, dass ihr manchmal unterschiedlich behandelt werdet, weil ihr Jungen oder Mädchen seid?

Justus: Einen 16-jährigen Jungen lässt man abends schon länger draußen rumlaufen als ein 16-jähriges Mädchen.

Henrike: Echt? Würdest du das auch so machen als Vater?

Justus: Ja, es ist schon irgendwie gefährlicher. Manche Mädchen haben ja sogar Pfefferspray mit. Zwei oder drei aus meiner alten Stufe.

Lara: Ich auch! Ich musste früher oft am Bahnhof lang und meine Mutter wollte immer, dass ich so was mitnehme.

Henrike: Hast du das irgendwann mal gebraucht?

Lara: Nee.

Sarina: Auf Stufenpartys wird man als Mädchen aber schon oft angemacht.

Lara: Viele Schlägereien gibt es ja auch nur, weil irgendein Junge die Freundin von irgendwem anders angegrapscht oder angeguckt hat. Oder der andere denkt das zumindest.

taz: Habt ihr schon mal von #MeToo gehört?

Berenike: Schon, so über die Nachrichten. In der Zeitung stand, glaube ich, auch mal was.

Sarina: Im Internet oder im Radio war das auch.

Lara: In der Schule wurde auf jeden Fall gar nicht darüber gesprochen.

Henrike: Ich habe das irgendwie gar nicht richtig mitbekommen.

Berenike: Bei mir beim Turnen wurde schon darüber gesprochen, es gab da ja auch was mit einem Trainer.

Henrike: Stimmt, das habe ich auch gehört!

Justus: Für mich war das einfach irgendwas in Amerika.

Henrike: Im Unterricht kam es halt gar nicht vor.

Justus: Höchstens so als Fun-Fact. So wie zwischendrin mal ein Lehrer erzählt, woher eigentlich Halloween kommt.

taz: Fändet ihr es gut, wenn über solche Themen im Unterricht gesprochen würde?

Alle: Ja!

Sarina: Das wäre wichtig, mir ist es das auf jeden Fall.

Lara: Ich fände wichtig, dass man aufgeklärt ist und dann auch weiß, wie man reagieren kann, wenn man selber betroffen ist.

Jonas: Ich fände das gut. Dann hat man weniger Unterricht, und das ist ja auch irgendwie Allgemeinwissen. Genau wie das mit Halloween.

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