Politischer Aschermittwoch der CSU: Der zahme „Bavarian Dream of Life“

Beim Politischen Aschermittwoch gibt sich die CSU gemäßigt. Dahinter steckt Kalkül von Markus Söder und Manfred Weber.

Markus Söder hält einen Bierkrug in die Luft

Bier floss soviel wie immer, die Rede von CSU-Chef Markus Söder war gemäßigter als sonst Foto: reuters/Michael Dalder

PASSAU taz | „Es ist Zeit für neue Stärke, die CSU ist da, und die CSU bleibt auch da“, ruft Markus Söder am Ende in die weiß-blau geschmückte Mehrzweckhalle. Und als dann die Menschen aufspringen, klatschen und jubeln, könnte man für einen Moment denken, es ist alles so wie immer bei diesem Hochamt, bei diesem größten Stammtisch Deutschlands. Doch die rund zwei Stunden, die diesem Moment vorausgegangen sind, haben gezeigt: Wenig ist noch so wie früher. Zahm ist er geworden, der Politische Aschermittwoch; und auch ein bisschen Sinnbild für eine Zeitenwende bei der CSU.

An den Rahmenbedingungen in der Dreiländerhalle in Passau liegt es freilich nicht. Gefühlt 10.000 Menschen sind mal wieder hier, wie die CSU-Generalsekretäre es zu beziffern pflegen – auch wenn es in Wirklichkeit natürlich deutlich weniger als die Hälfte sind.

Und gefühlt 90 Prozent von ihnen, das betonen die Generalsekretäre für gewöhnlich nicht, sind Männer. Am Rednerpult dasselbe Bild: Während bei den Parallelveranstaltungen von Grünen, SPD, und sogar Freien Wählern, FDP und AfD nur oder auch Frauen sprechen, gehört die Bühne bei der CSU von einer Grußwortüberbringerin abgesehen, wie in den vergangenen 66 Jahren ausschließlich den Männern. Die Voraussetzungen für ein gewohnt derbes Politspektakel sind gut.

Zumal es nicht nur an Testosteron, sondern auch an Bier nicht fehlt. Um neun Uhr wird es bereits in Masskrügen durch die Dreiländerhalle getragen, Fasten nennt man das hierzulande – weil dazu keine Schweinshaxen, sondern Fischsemmeln gereicht werden. Es sind die Hardcore-Anhänger, die es hier zu überzeugen gilt, darunter viele Nostalgiker, die sich gern an die Zeiten von Franz Josef Strauß zurückerinnern, der über Jahrzehnte das Bild des Politischen Aschermittwochs geprägt hat. Und sie erwarten hier einen Boxkampf – auch wenn der Gegner nicht in der Dreiländerhalle einläuft, sondern in Landshut, in Osterhofen oder in Vilshofen.

Manfred Weber hält eine Bewerbungsrede

Doch die politischen Gegner stehen diesmal gar nicht im Mittelpunkt der christlich-sozialen Aufmerksamkeit. Manfred Weber, Spitzenkandidat der CSU bei den Europawahlen und erster Hauptredner in Passau, beschränkt sich auf sein Thema, Europa, und das, was er dieser Tage in jeder Hauptstadt Europas tut: Er hält eine Bewerbungsrede in eigener Sache.

„Ich will, ich kann, ich werde Kommissionspräsident werden“, ruft Weber. Und so vielschichtig seine gesamteuropäische Wählerschaft ist, so allgemein gibt sich der EVP-Fraktionschef. Wenig, was nicht auf breiten Konsens auch außerhalb des Saales stoßen würde. Von Europa als dem „Geschenk der Freiheit, das wir erhalten müssen“, spricht Weber, von Politik, die „aus der Mitte heraus gestaltet werden“ müsse, und von der Notwendigkeit, Fluchtursachen zu bekämpfen. „Heute steht Syrien im Mittelpunkt, morgen geht es um Afrika.“

Den größten Applaus erhält Weber, als er ankündigt, als Kommissionspräsident die Beitrittsgespräche mit der Türkei beenden zu wollen und als er fordert, Konzerne wie Facebook stärker zu kontrollieren. „Wer in Europa Geld verdienen will, soll sich an europäische Regeln halten.“

Die einzigen politischen Gegner, die Weber in seiner Rede nennt, sind die nationalistischen Bewegungen wie Front National und AfD, die Europa zerstören wollten. „Wir müssen uns in aller Klarheit gegen sie stellen und gegen sie kämpfen.“ Die größte Leistung der Rede bleibt es am Ende, mit keinem Wort Viktor Orbán erwähnt zu haben, der die EVP gerade auf eine Zerreißprobe stellt.

Mehr als höflicher Applaus für gemäßigte Reden

Die Leute im Saal scheinen den Holzhammer jedoch nicht zu vermissen. Der Applaus ist weit mehr als höflich, Standing Ovations bekommt auch Weber am Ende, und die Fans halten ihre Schals mit Weber-Konterfei und dem Spruch „Ein Bayer für Europa“ in die Höhe.

Den mehr folkloristischen Teil übernimmt im Anschluss CSU-Chef Markus Söder, doch auch er hält sich dezent zurück, ist sichtlich bemüht, das Image des versöhnlichen Landesvaters nicht zu beschädigen, das er sich seit dem Wahldesaster vom vergangenen Oktober selbst verordnet hat. In Janker und mit ungewohntem Dreitagebart stellt er sich ans Pult und liefert einen kleinen Rundumschlag zur deutschen Politik.

Er beschwört den „Bavarian Dream of Life“, warnt vor der AfD, die einen Austritt Deutschlands aus der EU wolle, fordert eine ordentliche Ausstattung der Bundeswehr und lobt die neuen Beziehungen zwischen CDU und CSU: „Annegret Kramp-Karrenbauer und ich können eines versprechen: Mit uns wird sich 2015 nicht wiederholen. Wir arbeiten wieder stark zusammen.“ Zuwanderung müsse geordnet bleiben, wer für den IS kämpfe, verwirke sein Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft, einen Linksruck dürfe es nicht geben, es brauche eine Energiewende 4.0, die nicht auf Lasten des Südens gehe, und das NoGroko-Genörgel gehe den Deutschen langsam auf den Geist. Und klar, Bienen retten. Aber bitte auch die Bauern.

Strauß schimpfte noch, Söder tut versöhnlich

Brüller? Beleidigungen? Zitate, die in Erinnerung bleiben werden? Keine. Strauß hatte noch die Studentenbewegung als „schmutzige linksradikale Elemente“ beschimpft und gerufen: „Von Viertel-Intellektuellen lassen wir uns nicht vormachen, was Intelligenz ist.“ Die SPD nannte er „Rattenfänger“ und „rote Deppen“, ihren Chef Willy Brandt einen „zum Messias herausgeputzten Pseudopropheten“.

Nachfolger Söder dagegen will von Kevin Kühnert kein Auto, nicht einmal einen Roller kaufen. Und so lässig wie Robert Habeck sei er schon lange. Und Söders Kommentar zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen: „Ich hätte so gern für FJS während Latein demonstriert.“

Wenn das so weitergeht, könnte die CSU fast noch eine normale Partei werden. Wäre ja nicht das Schlimmste.

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