„Uns ist nie was Geileres passiert als die EU“

Kurz vor Brexit und Europawahlen zeigt sich: Junge Menschen fühlen
sich in Europa nicht vertreten. Ideen, das zu ändern, gibt es genug

Schulstreik in Lund am 15.3., Schweden Foto: Foto:dpa

Frustrierend. So nimmt Madeleine Robinson, 27, die Debatte über den Brexit wahr. „Ich verliere das Interesse, denn alle möglichen Ergebnisse sind für mich sowieso negativ“, sagt die junge Britin. Sie hatte geplant, mit ihrem Freund für einige Jahre nach Frankfurt zu ziehen, um dort zu arbeiten. Daraus werde nun wohl nichts. Auch das Reisen werde umständlicher. Eine trostlose Zukunft erwarte sie nun. „Es ist hart, sich damit abzufinden, denn es geht um unsere Zukunft.“ Die Meinung junger Menschen während der Kampagne sei nicht genug beachtet worden. Obwohl die Mehrheit der 18- bis 24-Jährigen für einen Verbleib in der EU stimmte, überwog schließlich das “Leave“ der Älteren.

Viele Jugendliche denken, dass oft über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, auch weil sie kaum in Parlamenten vertreten sind. Die Abgeordneten im EU-Parlament sind im Schnitt 55 Jahre alt. Das jüngste Mitglied war im vergangenen Jahr 29. Im Bundestag liegt der Schnitt bei etwa 49 Jahren. Nur zwei Prozent der Abgeordneten waren 2018 unter 30. In Frankreich und Großbritannien sieht es ähnlich aus.

Freitag in Berlin. Inmitten der „FridaysForFuture“-Demo beobachten drei Schülerinnen das Geschehen. „Es wäre schön, wenn uns auch ein paar jüngere Menschen vertreten würden“, sagt Mia. Das Wahlrecht ab 16 fände sie gut, Jugendliche hätten schon genug politisches Verständnis und Lebenserfahrung. Allerdings werde in der Schule noch zu wenig über Politik gesprochen. „Wir fänden es wichtig, dass man junge Menschen schon in der Schule aufklärt, etwa über die Parteien und deren Programme.“

In Deutschland wird schon länger darüber diskutiert, das Wahlalter zu senken. Die Forderungen reichen vom Wählen ab 16 bis zum Wahlrecht ab der Geburt. Bei den Europawahlen im Mai dürfen Jugendliche nur in Malta und Österreich schon mit 16 Jahren wählen. Gegner argumentieren häufig, Jugendliche würden sich nicht für Politik interessieren. Studien widerlegen das: Knapp die Hälfte der 12- bis 25-Jährigen bezeichnet sich als politisch interessiert.

Auch Carl, 22, Azubi aus Berlin, ist auf der Demo. Von den Politiker*innen ist er enttäuscht. „Zu wenige gute und neue Ideen werden umgesetzt, weil das Alte funktioniert.“ Er wünscht sich, dass junge Menschen sich stärker in politischen Parteien engagieren. Carl ist begeistert von den Möglichkeiten für Jugendliche in Europa. “Dem Kontinent ist nie etwas Geileres passiert, als die EU.“

Die Europawahlen bieten nun der jungen Generation die Chance, sich Gehör zu verschaffen. Der 25-jährige Bayreuther Student Malte Gallée kandidiert für die Grünen. Dazu entschied er sich in letzter Sekunde. „Ich dachte mir, es kann nicht sein, dass unsere Altersgruppe da gar nicht repräsentiert ist.“ Aber es gebe gerade eine Aufbruchstimmung: Junge Menschen nehmen sich die Stimme, die ihnen zusteht. „Der Zeitpunkt, um politisch aktiv zu werden, ist immer jetzt.“

Dazu gehört auch, Wahlen als Chance zu sehen. Hätten sich mehr Jugendliche am Brexit-Referendum beteiligt, stünde ihnen Europa vielleicht immer noch offen. Leonie Düngefeld und Paul Jonas Grunze