OOOOORDEER!

Brexit-Plan A bis P: Nach monatelangem Streit im britischen Unterhaus wurden jetzt 16 verschiedene Anträge zum weiteren Vorgehen eingereicht. Wie Parlamentspräsident Bercow das Chaos organisiert – und warum auch die Linken uneins sind
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Weckt mit seinen lauten Ordnungsrufen („Order!“) auch die müdesten vom ewigen Brexit-Hin-und-Her Erschlafften: Speaker John Bercow Foto: Rick Findler/empics/picture alliance

Plan A: Brexit ohne Mays Deal, und alle Alternativabstimmungen sind verfassungswidrig.Plan B: No-Deal-Brexit am 12. April.Plan C: Brexit am 22. Mai mit Mays Deal, aber mit Möglichkeit zum Austritt aus dem Nordirland-Backstop.Plan D: Brexit und Beitritt zu Efta samt Zollunion und Binnenmarkt nach dem Norwegen-Modell, aber ohne Freizügigkeit.Plan E: Brexit.Plan F: Verbleib in einer EU-Zollunion.Plan G: Kein Brexit.Plan H: Beitritt zu Efta, aber ohne Zollunion.Plan I: Brexit nur mit Zustimmung von Schottland und Wales.Plan J: Dauerhafter Verbleib in der EU-Zollunion.Plan K: Eine Zollunion mit der EU und Einhaltung der Binnenmarktregeln.Plan L: Kein Brexit, wenn ansonsten No Deal kommt.Plan M: Brexit nur vorbehaltlich einer zweiten Volksabstimmung.Plan N: Brexit mit Mays Deal, aber mit technischen Lösungen anstelle des Nordirland-Backstops.Plan O: Brexit ohne Mays Deal, mit erst mal zwei Jahren Pause für Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen.Plan P: No-Deal-Brexit mit Minivereinbarungen auf Gegenseitigkeit.

Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten“, seufzte eine Abgeordnete im britischen Unterhaus am Mittwochnachmittag. Bis vor Kurzem war der 29. März 2019 als Tag des britischen EU-Austritts quasi in Stein gemeißelt. Aber die 650 Abgeordneten haben sich nicht hinter den Brexit-Deal zwischen ihrer Regierung und der EU gestellt – und damit haben sie nicht nur den Brexit-Kalender umgestoßen, sondern jetzt stürzen sie auch die britische Verfassungsordnung in Turbulenzen.

Diese Woche gaben sich die Parlamentarier das Recht, an zwei Tagen ihre eigene Geschäftsordnung außer Kraft zu setzen, in der das Initiativrecht der Regierung vorbehalten ist –, und stattdessen einen bunten Strauß eigener Vorstellungen zum Brexit zur Debatte zu stellen. Die Regierung von Premierministerin Theresa May wird hilflose Zuschauerin.

Was aus diesem bunten Strauß von Ideen wird und ob die Blumen darin welken oder blühen, war zunächst völlig offen. Es könnte gut sein, dass die Abgeordneten nach Mays Brexit-Plan auch alle ihre eigenen Pläne verwerfen. Genauso gut könnten sie sich für ein oder sogar mehrere ganz neue Brexit-Modelle entscheiden, aber danach sowohl von der Regierung als auch von der EU ignoriert werden. Dass die Abgeordneten Angst vor der eigenen Courage haben und sich der Beschränktheit ihrer Möglichkeiten bewusst sind, zeigte sich schon zu Beginn: Mit nur 331 zu 287 Stimmen bekräftigten sie am Mittwochnachmittag ihr eigenes Verfahren, und nur 8 der 16 Pläne hat der Speaker zugelassen: B, D, H, J, K, L, M und O.

Also was jetzt: Ein No-Deal-Brexit mit zwei Wochen Verspätung? Eine Renaissance von Mays Deal in letzter Minute, weil nichts anderes auf dem Tisch liegt? Ein britischer EU-Verbleib aus Versehen? Alles ist möglich. Dominic Johnson