Dominic Johnson über Theresa Mays neue Brexit-Volte
: Dann doch lieber No Deal

Abstrakt gesehen ist es von Theresa May total vernünftig, jetzt mit Jeremy Corbyn das Gespräch über eine gemeinsame Brexit-Lösung zu suchen. Die britische Premierministerin hätte das eigentlich schon vor Jahren machen müssen – nach ihrer Amtsübernahme 2016 oder allerspätestens nach ihrem Verlust der eigenen Mehrheit im Parlament 2017. Jeder halbwegs aufmerksame Beobachter konnte damals vorhersehen, dass die konservative Regierungschefin den Brexit nicht ohne Unterstützung aus anderen Parteien über die Bühne bringen würde. Warum das Theresa May nicht wahrhaben wollte, bleibt ihr Geheimnis.

Konkret aber ist es extrem unwahrscheinlich, dass dieses Gesprächsangebot irgendetwas bringt. Es kommt in allerletzter Minute und beruht auf der Prämisse, eine Einigung innerhalb des bereits mit der EU ausgehandelten Rahmens zu finden, den das britische Parlament schon dreimal verworfen hat. In einer Woche soll dann ein EU-Sondergipfel beschließen, ob Großbritannien seinen Austritt erneut aufschieben kann. Ist eine kurze Sondierungsrunde zwischen den beiden unbeliebtesten Politikern des Landes eine belastbare Grundlage dafür?

Wenn überparteiliche Gespräche wirklich funktionieren sollen, brauchen sie einen langen Atem, eine sorgfältige Vorbereitung und eine möglichst voraussetzungsfreie Tagesordnung. Das alles ist jetzt weder gegeben noch möglich. Nicht zuletzt ist die schwindende Autorität der Akteure ein Problem. Die Konservativen warten nur darauf, dass Theresa May endlich ihren mehrfach schon in Aussicht gestellten Rücktritt vollzieht. Bei Labour wird das Rumoren gegen Corbyns Brexit-Schlingerkurs lauter.

Wahrscheinlich wären sowohl die EU als auch Großbritannien besser beraten, einen Schlussstrich zu ziehen. Es geht alles auch einfacher: ein No-Deal-Austritt am 12. April, begleitet von Abfederungsmaßnahmen auf beiden Seiten zur Vermeidung von Chaos und gefolgt von der sofortigen Aufnahme von Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen. Alles andere heißt mehr Unsicherheit und mehr Streit.

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