Schmutz-Wahlkampf in Israel: Gantz oder gar nicht

Israels Premier Netanjahu liegt laut Umfragen hinter Herausforderer Gantz. Doch dass der Regierungschef abgelöst wird, ist unwahrscheinlich.

Benny Gantz macht Selfie mit Wählern

Selfie mit General: Wahlherausforderer Benny Gantz Foto: dpa

JERUSALEM taz | Einer der schmutzigsten Wahlkämpfe in der Geschichte des Staates ist vorbei. Als „verrückt“, „unstabil“ und „völlig ungeeignet für das Amt des Regierungschefs“ schimpfte die Kampagne der Likud-Partei Benjamin Netanjahus gefährlichsten Gegenkandidaten, Benny Gantz. Netanjahu machte sich die Affäre um das Handy von Gantz zunutze, aus dem iranische Hacker brisante Informationen gezapft haben sollen, auch über das Liebesleben des früheren Generalstabschefs.

Gantz, Chef der Partei Blau-Weiß, resümierte die Wahlkampfzeit als die „schwierigsten Wochen in meinem Leben“. In einem Fernsehinterview beschuldigte er Netanjahu: „Wenn er eine Möglichkeit hätte, mich zu verletzten, mich zu töten, dann würde er das tun.“

Personenkult und persönliche Angriffe ersetzten die inhaltlichen Auseinandersetzungen. Bis zum Wahltag bleibt offen, wo die Unterschiede sind zwischen Likud und Blau-Weiß. In Außen- und Sicherheitsfragen verfolgen beide dasselbe, und wohin die Reise in innenpolitischen Detailfragen schließlich geht, liegt mit an den künftigen Koalitionspartnern. Nichts wäre passender als eine Große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Gantz schloss ein Zusammengehen mit Netanjahu aber aus.

Rund 6,3 Millionen Bürger sind aufgerufen, zwischen 7 Uhr morgens und 22 Uhr abends ihre Stimme abzugeben. Umfrageergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. In der Wahlnacht 1996 knallten nach den ersten Hochrechnungen bei der Arbeits­partei schon die Sektkorken, um den Sieg von Schimon Peres zu feiern, dann wurde es doch Netanjahu. Auch 2015 gaben die Hochrechnungen dem Bündnis der Sozialdemokraten und Zipi Livni einen Vorsprung, und doch war es wieder Netanjahu.

Wie 2009

Für die beiden Spitzenkandidaten geht es persönlich ums Ganze. Blau-Weiß könnte bei einer Niederlage so schnell wieder aus Israels Parteienlandschaft verschwinden, wie es darin aufgetaucht ist. Vielen Parteien vor ihr gelang der Blitzstart in die Knesset, auf den wenige Jahre später die Auflösung folgte. Zipi Livni und ihre Kadima ist ein Beispiel dafür. Die Wahlen 2009 entschied sie vor Netanjahu für sich, musste mangels Koalitionspartnern dann aber ihm das Feld zur Regierungsbildung räumen. Schon sechs Jahre später gab es die Kadima nicht mehr.

Netanjahu kämpft um seine Freiheit. Nur wenn er die Wahlen gewinnt und anschließend eine Gesetzesreform durchsetzt, die ihm Immunität verschafft, kann er sich vor den drohenden Anklagen retten. Nur so ginge sein Plan auf, den er vor Augen hatte, als er über den vorgezogenen Wahltermin entschied.

Nichts wäre passender als eine Große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Gantz schloss das jedoch aus

Noch kurz vor den Wahlen holte er sich Rückendeckung aus dem Ausland. Russlands Präsident Wladimir Putin bescherte ihm die sterblichen Überreste eines seit 37 Jahren vermissten Soldaten. Die Rückführung nicht nur lebender Geiseln, sondern auch der Leichen gefallener Soldaten, ist in Israel aufgrund des militärischen Ethos, Kameraden nicht im Feld zurückzulassen, enorm ­wichtig. Und US-Präsident Donald Trump schenkte Netanjahu gerade rechtzeitig zu den Wahlen die Anerkennung der Golan­höhen als israelisches Gebiet.

Die beiden Populisten sprechen dieselbe Sprache wie Netanjahu, wenn es um Demokratie, um den Umgang mit Regimekritikern und den Medien geht. Und beide könnten Netanjahu anschließend zur Kasse bitten, Trump mit seinem Jahrhundertplan für den Nahostfrieden und Putin? „Die Vorstellung, was Putin sich als Revanche erwartet, jagt einem einen kalten Schauer über den Rücken“, schreibt Jossi Verter in der liberalen Zeitung Ha’aretz. Putin drängt auf den Abzug ausländischer Truppen aus Syrien. Israel lehnte den Rückzug der US-Truppen bislang ab. Möglicherweise setzt Putin auf die Fürsprache Netanjahus.

15 Mandate fehlen

Das Szenario der Wahlen von 2009 könnte sich wiederholen, wenn Gantz als Erster durchs Ziel geht, aber keine regierungsfähige Koalitionsmehrheit zustande bekommt. Die linke Minipartei Meretz, die einzige der jüdischen (zionistischen) Parteien, die sich für eine Zweistaatenlösung einsetzt, wäre natürlicher Partner für Blau-Weiß und die Arbeitspartei. Doch selbst bei optimistischer Rechnung würden Gantz dann noch immer 15 Mandate fehlen.

Mit den arabischen Parteien, die, wenn sie Glück haben, auf 13 Mandate kommen, will er nicht koalieren, und die frommen Parteien stoßen sich an der weltlichen Agenda von Blau-Weiß: Wehrpflicht für alle, öffentlicher Verkehr am heiligen Sabbat, die Möglichkeit der Familiengründung für LGBT-Paare und die Freiheit für Händler, auch am Wochenende ihre Lädchen zu öffnen.

Von alldem wollen die ultraorthodoxen Politiker nichts hören. Netanjahu weiß die frommen Parteien auf seiner Seite, die rechtsnationalen, die nationalreligiösen und die rassistischen Listen. Ob er die Wahl gewinnt oder nicht – in der Knesset ist Netanjahu eine Mehrheit sicher.

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