Oden an das Unperfekte

Der kalifornische Punkmusiker Mike Krol stellte am Dienstag im Monarch sein Album „Power Chords“ vor

Von Jens Uthoff

Schepper, schepper, fiep, fiep, dröhn, dröhn. Es ist ein wahres Vergnügen, den vier Herren und der Lady auf der Bühne des Monarch dabei zuzusehen, wie sie Musik machen: Vorne Sänger Mike Krol mit den Körpermaßen des jungen Johnny Rotten, der auf der Bass Drum und am Technikgestänge herumturnt und – technisch leicht verzerrt – ins Mikro plärrt. Dahinter, am Schlagzeug, der korpulente Brian Granillo mit seiner Siebziger-Beamtenbrille und seinem Siebziger-Beamtenhemd, der manchmal nur mit Mühe den Takt hält und mit Vorliebe auf die Becken eindrischt.

Am Bass Allison Crutchfield, die – möglicherweise substanzbedingt – zuweilen etwas abwesend wirkt und in sich selbst versunken ihre dunklen, strohigen Haare schweifen lässt. Und rechts auf der kleinen Bühne, nah an den Fensterschrägen, durch die man das abendliche Kottbusser Tor sieht, die beiden Gitarristen Sean Lango und Corey Cunningham, von denen der eine Ramones-Akkordarbeit leistet und der andere einen Schuss Sologitarre hinzufügt. Und wenn das Instrument mal eine Nuance verstimmt ist: Scheiß drauf.

Denn genau so muss es natürlich sein! Das wissen die Tänzerinnen und Tänzer in den ersten Reihen, die kollektiv hüpfen und Köpfe schütteln. Rund 70 Leute – viele junge darunter – sind gekommen, als der kalifornische Punkmusiker Mike Krol samt Band am Dienstagabend sein kürzlich erschienenes Werk „Power Chords“ in Berlin vorstellt.

Es ist das vierte Album Krols; eines, das von persönlichen Krisen und Knock-outs handelt – und von ihrer Überwindung. Das hört man: So kraftvoll und intensiv wie auf diesem Album hat LoFi-Garage-Punk zuletzt vielleicht bei den Thermals geklungen.

Die Schrammen und Kratzer, die man nach derlei persönlichen Turbulenzen so davonträgt, tragen die fünf auch auf der Bühne sinnbildlich in ihren Gesichtern: Krol hat sich ein blaues Auge geschminkt (wie auch auf dem Album­cover), die anderen tragen ein paar Striemen oder kleinere Verwundungen. Das Quintett spielt vor allem Songs vom neuen Album, darunter die hittauglichen Tracks „Power Chords“, „An Ambulance“ und „Little Drama“. Die Stücke rotzen sie in der Regel runter, es gibt immer mal kleine Aussetzer und schiefe Übergänge, aber: siehe oben. Und wenn Krol & Co. etwa ausgerechnet bei einem Stück mit dem Titel „What’s The Rhythm“ immer langsamer werden, könnte das fast schon feine Selbstironie sein. Es kann auch sein, dass sie sich zum Teil einfach gegenseitig schlecht gehört haben über die Monitorboxen.

Aber irgendwie steht diese Unvollkommenheit ja auch für das, was Mike Krol transportiert. Es sind Oden an das Unperfekte, die hier vorgetragen werden. Powervolle, empowern­de Oden. Und keine Sekunde zweifelt man daran, dass diese fünf da vorn genau das sind, was sie performen (im Sinne von Glaubwürdigkeit der Inszenierung, nicht von Authentizität). Das Publikum spürt das – und feiert die Antihelden.

Der etwas blecherne, rohe Sound im Monarch passt hervorragend dazu, wie natürlich auch dieser Club, eng, verraucht, urban wie kein anderer. Es hat einfach was, wenn die beiden Gitarristen da Rücken an Rücken rumposen, während nur wenige Meter hinter ihnen – dort, wo man in Spiegelschrift den Stationsnamen„Kottbusser Tor“ lesen kann – die U1 einfährt. Mike Krol könnte nach diesem gelungenen Auftritt vielleicht sogar noch seinen Frieden mit Berlin machen, denn da war noch eine Rechnung offen. Zwischen den Songs sagt er: „Es ist das erste Mal, dass wir in Berlin spielen. Um ehrlich zu sein, sollte ich 2015 schon genau hier auftreten, aber weil keine Tickets verkauft wurden, haben sie das Konzert gecancelt. Also: wo wart ihr beim letzten Mal?“ Schulterzucken im Raum. Eins aber wissen sie in den Reihen hier: Wo sie beim nächsten Mal sein werden, wenn Mike Krol in der Stadt ist.