Eddie Izzard über Sprache und Identität: „Ich toure gerade als Mädchen“

Der britische Komiker Eddie Izzard improvisiert auf Englisch, Französisch – und nun auch auf Deutsch. Ein Gespräch über Sprache und das Leben.

Eddie Izzard, britischer Komiker

Tritt offen als trans auf: Eddie Izzard Foto: dpa

taz: Herr Izzard, „Wunderbar“ ist der Name Ihrer neuen Comedy-Tour. Ce n’est pas magnifique?

Eddie Izzard: Der Titel meiner letzten Show, „Force Majeure“, war auf Französisch, also habe ich diesmal einen deutschen gewählt. Die nächste wird einen spanischen Titel haben, vielleicht „Fantastico“. Ich suche immer positive Wörter. In einer Zeit, in der die Hälfte meines Landes und der USA sagt: Hey, lasst uns die Politik der 1930er Jahre wieder ausprobieren und gucken, wie das funktioniert, wollte ich ein positives Wort aus dem Deutschen nehmen. Als das letzte Mal Hass an erster Stelle stand, in den Dreißigern, da war das Deutsche die prominente Sprache dafür. Aber „wunderbar“ ist ein Wort, von dem jeder weiß, dass es positiv ist. Und trotz der AfD ist das moderne Deutschland ein positives Land.

Ihr Material haben Sie größtenteils durch Improvisation auf Französisch und Deutsch entwickelt. Wie wirkt sich das auf Ihren Humor aus? Denken Sie in diesen Sprachen anders als auf Englisch?

Auf Deutsch spiele ich mit allen Wörtern herum, die ich in meinem begrenzten Wortschatz habe. Das ist der einzige Unterschied. Ich erzähle Ihnen einen Witz, den ich mir komplett auf Deutsch ausgedacht habe: Wir hatten einen König, der hieß Heinrich der VIII. und war sehr fett und groß. Groß und fett, I should say. Und er hat alles gegessen, all die Schweine, all die Kühe und all die Schafe. Außer einem Schaf, das sehr cool war, sehr anders. Es trug eine Sonnenbrille und war zwei Jahre lang an der Detektivakademie. Es hieß John. John Schaf. Moment mal, warum lachen Sie nicht? Kennen Sie die Shaft-Filme nicht?

Leider nicht.

Er war Star in einer Reihe von Blaxploitation-Filme der 1970er Jahre. Ich habe diesen Witz im Quatsch Comedy Club in Berlin auf Deutsch erzählt und nur ein Drittel der Zuschauer*innen hat ihn verstanden. Aber wie Sie merken, ist mein Humor genauso skurril auf Deutsch.

Mark Twain schrieb über die Grausamkeit einer Sprache, die einer Rübe ein Geschlecht zuweist, aber nicht einem Mädchen. Finden Sie Deutsch gemein?

Alle Sprachen sind verrückt. Im Englischen werden „bough“, „through“, „cough“ und „though“ alle gleich geschrieben und klingen völlig unterschiedlich. Wie gehst du als legasthenisches Kind damit um? Es war ein verdammter Albtraum für mich. Wir hatten 330 Jahre normannische, französischsprachige Adelsherrschaft, und das angelsächsische Maskulinum, Femininum und Neutrum passten nicht zum Französischen. Weil es normale Menschen waren, die entschieden haben, wie sie ihre Sprache sprechen sollten, nicht Mönche oder Schriftgelehrte, sagten wir einfach: Scheiß auf das Maskulinum und Femininum, und wir ließen alle Geschlechter weg: „I carried the cat, a dog is a dog, a woman is a woman.“ Brauchen wir wirklich diesen männlichen und weiblichen Scheiß?

wurde 1962 in der britischen Kolonie Aden im heutigen Jemen geboren. Er wuchs in Nordirland und Wales auf. Nachdem er sein Studium an der Universität Sheffield abbrach, versuchte er sein Glück als Entertainer. 1991 gelang ihm der Durchbruch in Großbritannien, wenige Jahre später fing er an, international auf Tour zu gehen.

Eddie Izzard gilt als überzeugter Europäer und EU-Fan. Auf Wahlkampftour und in Talkshows setzt er sich für weitere europäische Integration ein. Er ist seit Jahren in der Labour-Partei aktiv und scheiterte zweimal daran, in den Parteivorstand gewählt zu werden. Ab 2020 will Izzard für das britische Parlament kandi­dieren.

Neben seiner Comedy-Karriere spielt Izzard auch in Filmen, unter anderem in „Oceans Twelve“ und „Thirteen“.

Izzard läuft seit 2009 Marathon. 2016 lief er in Südafrika 27 Marathons in 27 Tagen, um die 27 Jahren zu gedenken, die Nelson Mandela im Gefängnis sitzen musste.

Auftritte: Wien: 17. 4. 19; Berlin: 27. 4. 19; Köln: 28. 4. 19

Die englische Sprache hat keine maßgebliche linguistische Institution wie die Académie française oder den Rat für deutsche Rechtschreibung. Dadurch wirkt es manchmal dynamischer. „They“ hat sich als geschlechtsneutrales Pronomen weit verbreitet, wenn auch von vielen unbewusst.

Englisch ist inzwischen zu einer Open-Source-Sprache geworden. Die Brit*innen kontrollieren es nicht, ebenso wenig wie die Amerikaner*innen, Australier*innen, Chinesen*innen oder Venezolaner*innen. Es hat sich einfach auf der ganzen Welt durch Hollywood-Filme, Rock ’n’ Roll und die praktischen Aspekte des Geschäftslebens durchgesetzt.

Ist absurder Humor der einzige rationale Weg, um mit einer verrückten Welt umzugehen?

Manche nennen meinen Humor absurd, ich würde ihn eher surreal nennen. Und ich kann das sagen, weil mir mal jemand aus dem Victoria-und-Albert-Museum gesagt hat: Ihre Witze sind übrigens surreal. Also habe ich das von einem verdammten Museum überprüfen lassen. Dabei wurde ich bloß von Monty Python inspiriert, und sie wiederum von den Goons. Dieser humoristische Stil ist verführerisch, weil er sehr albern ist. Aber es muss eine Logik in der Albernheit geben. Man fühlt sich wie ein Kind, wenn man es versteht, es gibt aber auch intelligentere Ebenen darüber, sodass man sich wie ein Erwachsener fühlt. Und man fühlt sich clever, wenn man es versteht – wie beim John-Shaft-Witz.

John Cleese hat Sie schon lange als den „verlorenen Python“ bezeichnet, Sie wirken aber immer eher als ein Einzelkämpfer. Die meisten Ihrer Bühnendialoge eignen sich gut dafür, da Sie gleich mehrere Charaktere auf einmal spielen. Haben Sie sich jemals danach gesehnt, in einer Comedy-Gruppe zu sein?

Ich hatte nie vor, meinen eigenen Weg zu gehen. Und ich hätte nie gedacht, dass ich Stand-up überhaupt machen könnte. Ich habe es letztendlich getan, weil Sketch-Komödien im Fernsehen und als Livemedium mehr oder weniger tot waren. Stand-up schien der Weg nach vorne zu sein, also dachte ich, ich muss unbedingt lernen, wie man das macht, und besuchte Workshops. Auf der Bühne spiele ich dann oft einfach alle Rollen in einer Sketchgruppe aus. Das habe ich von dem großen US-Comedian Richard Pryor kopiert.

In Ihrer neuen Show enthüllen Sie Ihre große Theorie des Universums. Wie würden Sie sie zusammenfassen?

Hier ist die kürzeste Version: Im Grunde ist alles Zufall. Der Urknall war vor 13,5 Milliarden Jahren und seit der Aufklärung haben wir ungefähr 300 Jahre Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit. Es sind also 13,5 Milliarden Jahre gegenüber 300. Das ist so ein winziger Zeitpunkt, dass es nicht der Plan eines fühlenden Wesens sein kann. Es ist nur Glück. Keine Götter kontrollieren es, wir haben einfach das Glück, diese Zeit zu haben, und wir können alles sinnlos verprassen oder dafür kämpfen, dass jede*r das Recht hat, eine faire Chance im Leben zu haben. Und deshalb werde ich in die Politik gehen.

Ab 2020 werden Sie für das britische Parlament kandidieren. Wären Sie damit der/die* erste Transgender-Abgeordnete im Land?

Es könnte sein. Und es wird bestimmt eine große Reaktion mit vielen Kameras geben, aber dann wird es allen langweilig. Wenn LGBTQ* langweilig wird, dann haben wir es geschafft. Du bist schwul und lesbisch? Gut, was machst du im Leben? Oh, ich bin Bibliothekarin. Ich bin Fallschirmspringer. Ich spiele Banjo. Das ist es, was tatsächlich interessant ist. Bist du gut im Banjo? Ziemlich gut, ich werde aber immer besser. Weil Sexualität uns scheißegal sein soll.

Früher haben Sie sich als „Executive Transvestite“ bezeichnet, „Action Transvestite“ scheint jetzt der Begriff zu sein. Ist aus einer Geschäftsfrau eine Superheldin geworden?

Ich habe mir eigentlich „Executive“- und „Action“-Transvestit zur gleichen Zeit ausgedacht. Executive, weil ich immer Business Class geflogen bin, und Action-Transvestit klang einfach gut. Das war aber vor den Marathons. Dann habe ich angefangen, Marathon zu laufen und gesagt: hier ist euer Action-Transvestit. Heutzutage sage ich auch Transgender. Ich wusste immer, dass das der übergreifende Titel war, aber die Sprache ändert sich mit der Zeit. Ich identifiziere mich als Trans und genderfluid. Und ich habe boy-mode und girl-mode. Die Begriffe Mann und Frau kommen mir zu beladen vor. Ich toure gerade als Mädchen, erscheine aber Ende des Jahres in einem neuen Film mit Judi Dench, „Six Minutes to Midnight“, als Junge.

Es gibt immer eine Tendenz, den Fortschritt als linear zu betrachten. Wir werden immer weiser, besser, fairer. Ist das irreführend?

Die Weimarer Republik war sehr fortschrittlich, aber die Demokratie ist eine schwierige Sache. Demokratie plus Wirtschaftsabschwung, nun ja, in Deutschland kennen Sie das wahrscheinlich enzyklopädisch. Ich kenne es ziemlich enzyklopädisch. Aber die Menschheit geht vorwärts und rückwärts. Hoffentlich gehen wir zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurück.

Sind Sie optimistisch, was unsere politische Zukunft betrifft?

Ich wurde optimistisch geboren, Baby. Ich bin eine Das-Glas-ist-zwei-Drittel-voll-Person. Ich habe mich vor 34 Jahren als Transgender geoutet. Ich muss also irgendeine Art Optimist sein.

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