Kommentar Dieselskandal: Die Autoindustrie ist nicht lernfähig

Die Wirtschaft wiederholt immer dieselben Fehler, von den Kohlebaronen bis zu den Banken. Sie schließen von der Vergangenheit auf die Zukunft.

Ein Auspuff

Die Autoindustrie klammert sich an das Auslaufmodell Diesel statt darüber nachzudenken, wie sie in Zukunft Geld verdienen will Foto: dpa

Der Dieselskandal nimmt kein Ende: Erst wurde bei Daimler weitere Betrugssoftware gefunden, die den Ausstoß von Stickoxiden verschleierte. Dann wurde der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn in Braunschweig angeklagt. Beide Fälle berühren die Vergangenheit, doch würde es niemanden wundern, wenn in den Werkshallen immer noch getrickst würde. Es gibt keinen Grund zu vermuten, dass die deutsche Autoindustrie auf dem neuesten Stand der Technik wäre.

So schnell kann es gehen. Eben noch war die Autoindustrie der unbestrittene Leitsektor, jetzt muss sie um ihre Zukunft fürchten. Dieser Umschwung ist abrupt, aber keineswegs einzigartig. Ähnlich eindrucksvolle Fälle der Hybris gab es schon in der Vergangenheit.

Geradezu unfassbar war das Schicksal der deutschen Kohle: Noch 1957 waren die Bergwerke so ausgelastet, dass die Ruhrbarone frohgemut die Preise drastisch erhöhten. Nur ein Jahr später brach ihr Markt zusammen. Die privaten Haushalte setzten auf Heizöl, und die Chemieindustrie ging zur Petrochemie über. Die Zechen wurden nie wieder rentabel, und es flossen Milliarden an Steuergeldern in das Ruhrgebiet.

Eine ähnliche Fehleinschätzung war im Jahr 1972 zu beobachten. Damals waren alle Experten – von der Bundesbank bis zur Bundesregierung – überzeugt, dass die Wirtschaft auf Dauer jährlich um 5 Prozent zulegen würde. Doch 1973 brach die Ölkrise aus, und das hohe Wachstum war für immer vorüber.

Die Autoindustrie wiederholt die Fehler von 1957 und 1972; auch sie schließt von der Vergangenheit auf die Zukunft. Das Motto lautet: bisher Diesel, immer Diesel. Zur Not wurde eben durch Betrug nachgeholfen.

Die eigentliche Frage wurde damit weiterhin vermieden und verdrängt: Womit wollen die Autokonzerne künftig Geld verdienen? Bis heute gibt es dar­auf keine Antwort. Wenn die Autokonzerne nicht schnell umsteuern, dürften sie den Weg der Ruhrkohle gehen: Plötzlich ist man nur noch ein Fossil der Vergangenheit. Kassiert aber viele Steuermilliarden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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