Neue Verbündete im Libyen-Konflikt: Schillernde Rebellenallianz

In Libyen stellt sich eine Konfliktpartei auf einen langen Krieg ein. Wegen der Ursache ist die UN uneinig. Es geht auch um wirtschaftliche Interessen.

Ein Mann mit Sturmmaske bewacht in einem Innenhof mehrere gefangene Rebellen.

Festgesetzte Haftar-Rebellen in der libyschen Stadt Sawija Foto: dpa

TUNIS taz | Die Kämpfe im Süden der libyschen Hauptstadt Tripolis gehen mit unverminderter Härte weiter. Über 220 Tote und mehr als 1.000 Verletzte zählt mittlerweile die Weltgesundheitsorganisation WHO. Milizen auf der Seite des international anerkannten Premiers Fayez Serraj vermelden, die mehrheitlich aus Ostlibyen stammende Libysche Nationalarmee (LNA) von Feldmarschall Chalifa Haftar aus Ain Zara und anderen Stadtteilen zurückgedrängt zu haben.

Im ostlibyschen Hauptquartier der LNA gibt man sich ebenfalls siegessicher, stellt die Familien der Soldaten jedoch auf einen langen Krieg ähnlich wie vor Jahren in der ostlibyschen Metropole Bengasi ein. Und ebenso wie einst in Bengasi rechtfertigt LNA-Sprecher Ahmed al-Mesmari auf seinen Pressekonferenzen auch den Angriff aus Tripolis mit der Anwesenheit terroristischer Gruppen. Der 72-jährige Haftar versucht, seinen vor fünf Jahren verkündeten Sturz der Islamisten, die nach der Revolution von 2011 in staatlichen Institutionen Fuß fassen konnten, militärisch zu vollenden.

Mit dieser Darstellung hofft das Haftar-Lager, Unterstützung zu gewinnen. Am Freitag bestätigte ein Sprecher des Weißen Hauses, dass der US-Präsident Haftars „Krieg gegen den Terror“ gutheiße. In einem Telefonat mit Haftar habe Donald Trump über die „gemeinsamen Visionen vom Übergang Libyens zu einem stabilen demokratischen politischen System“ gesprochen, hieß es.

Mit der Parteinahme für die LNA schließt sich Washington der französischen und ägyptischen Anti-Islamisten-Strategie an. Spezialeinheiten beider Länder kooperieren seit 2014 mit der LNA, die vor zwei Jahren zusammen mit Bürgerwehren islamistische Gruppen aus Bengasi verjagt hatte und dabei Kriegsverbrechen beging.

Eine Erklärung des UN-Sicherheitsrats gegen Haftar schei­terte am Veto Russ­lands und der USA

Von dem neuen Kurs in Washington, das bisher öffentlich immer den libyschen Premier Serraj unterstützte, war wohl auch das britische Außenministerium überrascht. In einer von Deutschland initiierten Libyen-Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag scheiterte der britische Antrag, der ausschließlich Haftar für die Eskalation verantwortlich macht, am Veto Russlands und der USA.

Während Großbritannien wohl wegen des in London angelegten libyschen Staatsfonds und jahrelanger guter Beziehungen zur Opposition gegen Gaddafi auf die Tripolis-Regierung setzt, hält auch Italien zur Regierung und verbündeten Milizen in Westlibyen – wegen der Interessen des staatlichen italienischen Ölkonzerns ENI. Die ENI-Ölinfrastruktur befindet sich westlich und südlich von Tripolis, Soldaten der ehemaligen Kolonialmacht Italien sind in der Hafenstadt Misrata stationiert. „Man hat uns aus Rom versichert, dass Misratas Flughafen von Haftars Luftwaffe nicht bombardiert wird“, sagt ein in der Präsidialgarde dienender Kommandeur aus Misrata.

Wie sein Gegenspieler Serraj muss sich auch Haftar auf eine bunte Allianz von Mitstreitern verlassen. In seiner LNA kämpfen ostlibysche Gruppen, von Saudi-Arabien unterstützte Mad­khali-Salafisten und Söldner aus dem Sudan. Bei der Offensive in Südlibyen vor drei Wochen begleiteten französische Militärberater LNA-Einheiten. Teilnehmer eines Treffens auf dem Flughafen Temenhint berichteten der taz von einem Treffen der zivil gekleideten Franzosen mit lokalen Toubou-Gruppen.

Unklarheit über möglichen Waffenschmuggel

In Tripolis kursierende Gerüchte von ägyptischen Soldaten auf der Seite der Haftar-Angreifer sind hingegen ebenso unbestätigt wie der Einsatz von Kampfflugzeugen und Drohnen der emiratischen Luftwaffe über Tripolis. Nach Berichten einer für den UN-Sicherheitsrat arbeitenden Expertengruppe unterstützen emiratische Experten die LNA-Luftwaffe auf dem Flughafen Al-Khadim bei Bengasi.

Mindestens ein im syrischen Latakia gestartetes Transportflugzeug ist auf Bengasis internationalem Flughafen Benina gelandet, und im tunesischen Djerba, rund 100 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt, wurde am vergangenen Mittwoch eine Militärmaschine aus Katar entladen. Ein Sprecher der tunesischen Regierung sprach von einem technischen Stopp, Angestellte des Flughafens bestätigten hingegen das Entladen und den Abtransport von Militärgerät.

Der auf Waffenschmuggel an der libysch-tunesischen Grenze spezialisierte UN-Experte Moncef Kartas sitzt wegen Spionagevorwürfen seit drei Wochen in Haft. Die Recherche des Deutsch-Tunesiers und seiner Kollegen hatte im letzten Jahr den Bruch des UN-Waffenembargos gegen Libyens Bürgerkriegsparteien durch Ägypten und die Türkei offengelegt.

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