geht’s noch?
: Wir brauchen keine Eier

Um das Ei ranken sich viele Legenden – nicht nur zur Osterzeit. Solche Mystifizierung braucht es wohl auch, denn genau betrachtet ist das Ei eben: überhaupt nicht das Gelbe vom Ei

Jedes Kind wächst mit der Lüge auf: Der Osterhase malt die Eier an und versteckt sie für die Kinder. In Wahrheit aber legt das Huhn das Ei. Dann nimmt der Mensch dem industriell gehaltenen Huhn das Ei weg und lässt es industriell bemalen. Danach tötet er das Huhn industriell, brät es und isst es auf – ein herzliches Dankeschön sieht anders aus. Zum Nachtisch gibt es Schokoladeneier. Dass all das gesund für Huhn und Kind sei, ist bereits die zweite Lüge. Eier sind scheiße.

Die Hühner haben also die Arbeit, und der Hase greift für lau den ganzen Fame ab. Nutzt ihm aber nichts, weil der Mensch ihn trotzdem ausrottet. Der Hase ist ihm einfach zu flatterhaft; das kann der nervöse Mensch nicht ab. Das Cholesterin der vielen Eier, die er isst, lässt ihn, wie ja schon der Name der Verbindung zeigt, noch zusätzlich cholerisch werden: Hase, du bleibst hier! Tot oder lebendig.

Das Ei macht also nicht nur krank (Schlaganfall, schneller Stuhl, Salmonellen) sondern obendrein noch aggressiv. Es muss nicht mal ein echtes Ei sein, schon die Form allein genügt. Wer jemals vor Frust brüllende Rugbyspieler aufeinander losgehen gesehen hat, weil ein eiförmiges Spielgerät naturgemäß niemandem so recht gehorcht, schaudert vor der destruktiven Kraft des Eis.

Doch auch dem Spieler mit dem runden Ball fällt das Ei schwer auf die Füße – und zwar in Form einer weiteren Lüge: Dicke Eier verleihen ihrem Träger angeblich Mut, Kraft und Siegeswillen auf dem Fußballfeld. Doch gerade hier sind die Eier nichts als ein empfindliches Ärgernis; sie integrieren sich weder geschmeidig in die Anatomie noch in die Freistoßmauer.

Eine Schwachstelle des männlichen Körpers wie der Stoßdämpfer beim japanischen und der Fahrer beim deutschen Auto, beherbergen sie Millionen nutzloser Gesellen, die in schwülen Nächten überfallartig die Laptoptastatur des einsamen Mannes verkleben: Und schon ider zi Buchstabn nigr. Nur alle Jubeljahre checkt mal einer dieser Blindgänger bei einem mitleidigen Damenei ein.

Dieses ist immerhin ganz gut geschützt und wird, wo das Männerei gleich seinem hartgekochten Vetter, dem Rentnerimbiss für die Eisenbahn, müffelnd wider das Verfallsdatum löckt, im Leben wohl an die fünfhundert Mal erneuert.

Ein pfiffiges Prinzip – hier verdient die Evolution wenigstens mal halbwegs ihren Namen. Aber ob das allein schon zur Ehrenrettung des Eis taugt? Ich glaube nicht.

Uli Hannemann