Neues Album von Chupame El Dedo: Ein Furz bringt den Barbaren zu Fall

Das Duo Chupame El Dedo aus Kolumbien hat ein Faible für den Teufel und vereint in seinem satanischen Sound das Beste aus Cumbia, Metal und Grindcore.

Zwei Leute mit Kapuzen in grünem Licht

Olà Presidente: Chupame El Dedo machen keine Gefangenen Foto: Catalina Villamizar

Dass ihre Musik mit schwarzem Humor operiert, verrät schon der Albumtitel: „No te metas con Satan“ heißt das neue Werk von Chupame El Dedo. „Leg dich nicht mit dem Teufel an“ tauft eine kolumbianischen Band ihr Werk, die sich „Lutsch mir den Daumen“ nennt. Ihre Songs heißen „Peos“ („Fürze“) oder „Me duele“ („Ich habe Schmerzen“) und formen ein Konzeptalbum, auf dem uns der Beelzebub in vielerlei Gestalt entgegentritt.

Chupame El Dedo ist ein Projekt von Eblis Álvarez (Meridian Brothers, Frente Cumbiero) und Pedro Ojeda (Romperayo, Frente Cumbiero, Ondatrópica). Beide Größen in Bogotás an Bedeutung gewinnender Undergroundszene. Es heißt, ein gemeinsames Konzert mit ihrer Spaßband Los Pirañas im Berliner Haus der Kulturen der Welt habe dazu beigetragen, das sich Álvarez und Ojeda 2014 erstmals als Duo für ein Album zusammengetan haben.

Als Chupame El Dedo reduzieren sie jedenfalls heimische Rhythmen wie Salsa, Cumbia und Chicha auf ihr Grundgerüst, variieren gelegentlich ihr Tempo, um sie mit Black-Metal- und Grindcore-Anklängen zu einer Art abstraktem tropischem Metal zu verbinden. Álvarez’ Stimme ist auf dem zweiten Album so weit hochgepitcht, dass sie wie das Organ eines einfachen Mädchens vom Lande klingt. Den Gegenpart übernimmt Ojeda mit seiner tiefen Stimme. Zu Álvarez’ trashigen Orgel- und Keyboard-Sounds und der wild galoppierenden Perkussion von (vom Teufel gerittenen?) Ojeda ziehen sich ihre Zwiegespräche durch das ganze Album.

Und ab mit ihm ins Inferno

Der programmatische Titel „Metalero“ beginnt rasant, um dann melodisch die Kurve zu „El Cumbanchero“ (in etwa: „Das Feierbiest“) zu nehmen – die Komposition von Rafael Hernández aus Puerto Rico von 1946 gehört zu den Klassikern der lateinamerikanischen Musik. „Alexandra Candelaria“, mit dem die zweite Hälfte eröffnet wird, ist dagegen ein mehr als siebenminütiger Höllenritt, bei dem ein unschuldiges Mädchen zu quietschenden Keyboardsounds auf dem Weg zu einem Bullerengue-Fest auf den wahrhaftigen Satan trifft – und ihm am Ende ins Inferno schickt.

Von Berlin aus betrachtet – und das sind immerhin 9.415 Kilometer Entfernung nach Bogotá und gute 2.600 Meter Höhenunterschied – klingt das einigermaßen bizarr; als hätte Eblis Álvarez mit dem Tropical Metal eine neue Spielwiese gefunden, auf der er sich jetzt austobt. Álvarez, der klassische Gitarre gelernt und in Dänemark Komposition und Elektronische Musik studierte, hat ohnehin ein Faible für obskure Klänge und vergessene Traditionen.

Chupame El Dedo: "No te Metas con Satan" (Souk/Discrepant/A-Musik)

https://discrepant.bandcamp.com/album/no-te-metas-con-satan

Das Meridian-Brothers-Album „Los Suicidas“ (2015) etwa war jenen Hammond-Organisten Lateinamerikas gewidmet, die seit den 1960er Jahren einen dem Easy Listening ähnlichen Ambient-Orgel-Cumbia kreierten (den Álvarez allerdings zu einem „Un-Easy Listening“ weiterentwickelte). Am vergangenes Jahr aufgelegten Debütalbum von San Francisco de Assis war Álvarez auch beteiligt – eine Band, die von sich sagt, sich mache „falschen Christen-Punk“.

Die Ahnen beim Fastfood

Hier schließen Chupame El Dedo mit „No te metas con Satan“ an. Das dahingerotzte „Amo a mi familia“ („Ich liebe meine Familie“) lässt sich etwa als ironischer Kommentar zum Stellenwert der Blutsverwandtschaft lesen. Während „Mi ancestro berraco“ ein wohl nicht ganz ernst gemeinter Dialog beim Fastfood-Verzehr über die Kultur der Vorfahren ist, die es zu pflegen gelte.

„Bolillo Cafre“ („Bolillo Barbar“) wiederum, mit dem das Album schließt, spielt auf den umstrittenen Fußballtrainer „Bolillo“ Gómez an. Der war 2012 in die Schlagzeilen geraten, nachdem er eine Frau schwer geschlagen hatte. Erst auf öffentlichen Druck legte er schließlich sein Amt als Coach der kolumbianischen Nationalmannschaft nieder. Manchmal bringt es also doch was, sich dem Teufel entgegenzustellen.

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