Politische Pullover

Auf dem Bremer Marktplatz erinnern Aktivist*innen beim „Fashion Revolution Day“ an die Katastrophe in der Textilfabrik Rana Plaza vor sechs Jahren in Bangladesch

Die Veranstalter*innen fordern mehr Verbindlichkeit bei Textilstandards

VonCornelius Runtsch

Rund 1.100 Menschen verloren ihr Leben, als am 24. April vor sechs Jahren die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh einstürzt. Weit weg? Produziert wurde Kleidung, die wir in den westlichen Ländern kaufen und tragen. Weil es deshalb auch uns in Bremen angeht, begingen Aktivist*innen am Mittwoch auf dem Marktplatz den „Fashion Revolution Day.

Eingeladen hatte das Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung (BIZ), die Bremer Kampagne für Saubere Kleidung sowie das Hafenmuseum Speicher XI. Ziel der Aktion war es nicht nur, den Opfern des Einsturzes vor sechs Jahren zu gedenken, sondern auch, Forderungen an die Politik zu formulieren und Möglichkeiten des alternativen Kleiderkonsums zu vermitteln.

Vor Ort können man Akteuren wie der Bremer Baumwollbörse auf die Finger schauen, sagte Getrud Gauer-Süß, Geschäftsführerin des BIZ. Die Baumwollbörse stelle eine starke Lobby dar und befürworte einen teilweise sehr unnachhaltigen Anbau von Baumwolle mit hohen Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier.

Traditionell spielte Bremen als Hansestadt eine wichtige Rolle im Kolonialismus und im Baumwollhandel. Bis heute ist die Baumwollbörse eine von weltweit nur vierzehn ähnlichen Institutionen, die die Interessen von lokalen wie internationalen Händlern, Spediteuren und Spinnereien vertritt.

Bei der Aktion auf dem Marktplatz boten Modedesignstudent*innen Workshops zum Besticken von Kleidung an oder ließen den „Wollator“ – eine liebenswert zusammengezimmerte Maschine – aus Stoffresten einen Pulli stricken. Er soll ein Beispiel sein dafür, statt „Textketten“ lieber „Textilkreisläufe“ zu bilden, wie Martina Glomb, Dozentin an der Hochschule Hannover, erklärte.

„Richtigen Abfall gibt es nicht“, so Glomb. „Alles, was wir wegschmeißen, landet irgendwo und kann wiederverwendet werden.“ Das sei das zentrale Anliegen der „Slow Fashion“-Bewegung: längere Nutzung und sinnvolle Wiederverwertung.

Der „Fashion Revolution Day“ hat eine klar politische Agenda, die auf die Veränderung der Wertschöpfungsketten, der Arbeitsbedingungen in anderen Ländern und des Konsumverhaltens hierzulande abzielt.

Seit dem Einsturz von Rana Plaza habe sich in der globalen Textilindustrie schon einiges getan, sagte Gauer-Süß. Trotz Bündnissen wie dem für nachhaltige Textilien des Bundesentwicklungsministeriums gäbe es nach wie vor genug Produzenten, für die faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit in der Modeindustrie kaum eine Bedeutung hätten.

„Deswegen ist unsere zentrale Forderung das Einrichten gesetzlich verbindlicher Standards für alle Firmen in der Textilindustrie“, erklärt Gauer-Süß. Viele Produzenten forderten mittlerweile selbst einen solchen gesetzlichen Rahmen.