Fürze in Luftblasen

Mit „Die Sagenhaften Vier“ haben die Hamburger Christoph und Wolfgang Lauenstein das Grimm‘sche Märchen radikal modernisiert

Von Wilfried Hippen

1989 haben die Hamburger Zwillinge Christoph und Wolfgang Lauenstein für ihren Film „Balance“ einen Oscar für den besten animierten Kurzfilm bekommen. Danach machten sie Werbung. Und jetzt beginnen sie ihre Kinokarriere – dafür aber gleich doppelt. Denn ihre Animationsfilme „Luis und die Aliens“ (siehe auch taz nord vom 24.5.2018) und „Die Sagenhaften Vier“ sind etwa gleichzeitig fertig geworden, also auch Zwillinge. Aber die Zwillinge Lauenstein wollten sich nicht selbst Konkurrenz machen und für die Adaption von „Die Bremer Stadtmusikanten“ bot sich dieses Frühjahr ja schon deshalb an, weil das Grimm’sche Märchen gerade 200 Jahre alt geworden ist.

Die erste Überraschung von „Die Sagenhaften Vier“ besteht darin, dass er deutlich macht, dass „Die Bremer Stadtmusikanten“ so etwas wie ein Urmodell der in populären Genres so beliebten Geschichte von den „Misfits“ ist; also von einer Gruppe Außenseiter, die allein scheitern, aber gemeinsam erfolgreich sind.

Übernommen wurde dabei von der Vorlage nur die Grundstruktur und der berühmte Kernsatz: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ Ansonsten ist dies eine konsequent modernisierte Version der alten Geschichte: Die Katze wird von einer alleinstehenden Frau fast zu Tode bemuttert: Als Ersatz für ein Kind leidet sie an Überbehütung und neben ihren ausgestopften Vorgängerinnen steht auf dem Schrank schon ihr Platz bereit.

Der Hund wiederum hat Angst vor Menschen und ist so als Wachhund ungeeignet. Der Hahn hat alle irdischen Triebe hinter sich gelassen und meditiert auf dem Misthaufen, statt dafür zu sorgen, dass die Hühner Küken bekommen. Und der Esel ist schließlich ein Zirkustier, das sich für ein Zebra hält.

Die vier finden sich in einer Kriminalgeschichte wieder, denn die Katze Marnie hält sich für eine Detektivin, weil sie zu viel Fernsehen geschaut hat. Und als in der Umgebung eine Reihe von seltsamen Einbrüchen begangen werden, machen sich die vier ungewöhnlichen Freunde gemeinsam auf die Suche nach dem Täter, den sie dann auch spektakulär zur Strecke bringen.

Die größte Stärke des Films ist das Drehbuch, das von originellen und witzigen Ideen überquillt und mit dem sowohl das Zielpublikum der Kinder wie auch erwachsene Zuschauer intelligent unterhalten werden. Für die einen gibt es niedliche Tiere, die klüger als die erwachsenen Menschen sind – und Fürze in Luftblasen.

Für die erwachsenen Zuschauer wird dagegen eine Fülle von Zitaten und Bezügen zur modernen Popkultur aufgeboten. So gibt es etwa eine kleine Parodie auf Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, die Heldin in Marnies Lieblings-TV-Serie heißt Uhura wie die afroamerikanische Funkerin in „Raumschiff Enterprise“ und es wird auf den Flügeln eines Doppeldeckers balanciert wie im Film „The Great Waldo Pepper“. So wurde dann auch noch ein kleines Selbstzitat aus „Balance“ in den Film geschmuggelt.