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Gedenkanstoß vom Senat

Koloniale Hinterlassenschaften belasten Bremen: Die Kulturdeputation beschließt heute Leitlinien zum Umgang mit ihnen

Mai1938: Bremen will die Kolonien zurück Foto: DKG/ UB Frankfurt a.M.

VonBenno Schirrmeister

Mithilfe von kulturpolitischen Leitlinien soll Bremen den Kampf gegen Alltagsrassismus und durch ihn geprägte Strukturen aufnehmen, einen mit den Communitys der ehemals Kolonisierten abgestimmten Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten entwickeln und das Gedenken an den Völkermord in Namibia verankern. Künftig werde jedes Jahr am 11. August im Nelson-Mandela-Park eine Gedenkveranstaltung an die von deutschen Soldaten von 1904 bis 1908 systematisch verfolgten und ermordeten Herero und Nama erinnern, heißt es in der entsprechenden Vorlage für die Kulturdeputation.

Die wird die von der Kulturbehörde seit 2016 im Dialog mit einem breiten Spektrum künstlerischer, politischer und sozialer Akteure entwickelten Leitlinien am heutigen Dienstag beraten und voraussichtlich beschließen. Das hofft auch Robert Hodonyi (Grüne): „Eine engagierte Stadtgesellschaft braucht eine engagierte Erinnerungskultur“.

Bremen hat gute Gründe dafür: Von hier aus wurde ab dem frühen 19. Jahrhundert durch religiöse und wirtschaftliche „Pioniere“ der staatlichen Besetzung überseeischer Ländereien der Weg bereitet. Und in der NS-Zeit hatte sich Bremen, Sitz des Reichskolonialbundes und Wahlheimat des nazinahen Ostafrika-Landsers Paul Lettow von Vorbeck, massiv als Hauptstadt der Rekolonialisierungsbewegung zu profilieren versucht.

Tatsächlich gehen die Bremer Leitlinien in der historisch-politischen Analyse deutlich über die jüngst von der Kulturministerkonferenz verabschiedeten „Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ hinaus, die einen auf die Zeit von 1880 bis 1919 verengten Blick auf den deutschen Kolonialismus als etwas historisch Abgeschlossenes nahelegen: So betonen die Leitlinien das Fortwirken des kolonialen Erbes in der Gegenwart und das Überdauern der von ihm geschaffenen Herrschaftsverhältnisse nicht zuletzt in einst kolonialisierten Ländern.

Auch wird darauf insistiert, die unterschiedlichen Interessen an Erinnerungsarbeit und ihrer Ausrichtung zu beachten. Die Leitlinien seien dabei zu verstehen als „ein erster Versuch, den Kultureinrichtungen eine Orientierung zu geben“, so das Senatspapier, „wenn sie mit Menschen afrikanischer Herkunft zusammenarbeiten wollen“.

Die Einschränkung wirkt etwas unglücklich: Bremens aktive Rolle bei der Zerstörung von Inseln in Ozeanien durch die Südseegesellschaft sind nicht zu vergessen. Und hemmungslosen Raubbau betrieb auch die hier ansässige, vom Norddeutschen Lloyd und der Nationalbank federführend etablierte Deutsche Südseephosphat Aktiengesellschaft. Die fuhr große Profite ein und warf entsprechend bis zu elf Prozent Dividende ab – dank Zwangsarbeit. So waren im Jahr 1909 dazu 109 der Aufständischen von der Insel Pohnpei nach Nauru deportiert worden. Sie „bekamen für ihre Arbeit nur freie Verpflegung“, schreibt Reinhard Carstens in seiner Dissertation über Arbeitsverhältnisse in Deutsch-Ozeanien. Ihr Lohn sei einbehalten worden als Erstattung der Kosten für die Niederschlagung der Revolte.

„Die Vorlage hat keine finanziellen Auswirkungen“, heißt es im Leitlinien-Papier. Hodonyi schwant nichts Gutes: „Es wirkt, als sollte nach dem Motto ‚Erinnerung darf nichts kosten‘ verfahren werden.“ Das dürfe nicht sein: „Wir brauchen einen eigenen Haushaltstitel dafür.“

Das sei ohnehin geplant, gibt die Sprecherin der Kulturbehördensprecherin, Alexandra Albrecht, Entwarnung: Bei den kommenden Haushaltsberatungen werde der Senator für Kultur diese Frage „zum Thema machen“. Es bedürfe dafür aber zumindest einer Abstimmung mit der Landeszentrale für politische Bildung, bei der das Thema Gedenk- und Erinnerungskultur bislang angesiedelt ist.