Karfreitags-Aufreger: Wer lacht, muss Buße tun

Am Karfreitag wird im Bremer Paradox der Film „Das Leben des Brian“ gezeigt – als Protest gegen das Bremische Feiertagsgesetz.

Vor blauem Himmel zeichnen sich die Statue "Kämpfende Amazone" vor dem Kuppelkreuz des Berliner Doms ab.

Das Kreuz im Blick: An Karfreitag gilt das Feiertagsgesetz. Oder doch nicht? Foto: dpa

BREMEN taz | Endlich wird „Das Leben des Brian“ mal wieder öffentlich gezeigt. Nicht im richtigen Kino, aber auf der größtmöglichen Leinwand des Kommunikationszentrums Paradox in der Bernhardstraße – am Karfreitag, um 19 Uhr. Dadurch wird die Vorführung des Komödienklassikers zum Politikum. Sie kann nämlich als Verstoß gegen das Bremische Feiertagsgesetz gewertet werden.

Das so genannte Tanzverbot verbietet nämlich viel mehr, als zu tanzen: „Sämtliche öffentliche Veranstaltungen, sofern bei ihnen nicht der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“ sind an Karfreitag zwischen 6 und 21 Uhr untersagt. Das Vorführen von Filmen kann dazu gehören. Zuwiderhandlung zieht Strafzahlung nach sich. Höhe: unbekannt.

Denn laut Innensenator sind seit 2016 „derlei Verstöße am Karfreitag nicht bekannt“ geworden. Es gebe also „keine Angabe über Bußgelder, da es den Fall noch nicht gegeben hat“, so Karen Stroink, Sprecherin der Behörde. „Besondere Kontrollen werden in der Regel nicht durchgeführt“, heißt es. Und es „liegen zur Zeit für den kommenden Karfreitag keine Anträge auf Ausnahmen vor“.

Tatsächlich haben die Veranstalter keine gestellt. Sie sind gespannt, wie das Ordnungsamt mit der Vorführung von „Das Leben des Brian“ umgehen wird: „Den Film kennen ja alle“, sagt Herbert Thomsen, Sprecher des Säkularen Forum Bremen, „der ist jetzt 40 Jahre alt, und gehört sicher zu denen, die man schon mal gesehen hat“. Sinn der öffentlichen Vorführung sei „der Protest gegen dieses unsinnige Verbot“.

Im Internet kursiert die FSK-Liste der über 700 Filme ohne Feiertagsfreigabe bis einschließlich 2015 und auch der Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kennt nur die. Die vollständige und kommentierte Liste der seither feiertagsgesperrten Filme gibt‘s nur hier:

2016: Evas Zorn (D / I 2014/15), R: Harald Franklin, D: Jessy Moravec, Peter Posniak, Steven Gänge. Expolitation-Thriller um Eva, die ihren Stiefvater, einen Ganoven, hasst, und ihm eine Falle stellt.

2016: Hardcore (RUS / USA 2015), R: Ilya Naishuller, D: Sharlto Copley, Danila Kozlovsky. In Ego-Shooter-Perspektive eines Cyborg gedrehte Sci-Fi-Action.

2017: Das Belko Experiment (USA 2016), R: Greg McLean, D: John Gallagher Jr., Tony Glodwyn. Die Belegschaft eines gemeinnützigen Unternehmens wird genötigt, Teammitglieder zu töten.

2017: Atomic Blonde (USA 2017), R: David Leitch, D: Charlize Theron, James McAvoy. In Berlin kurz vor Mauerfall werden SIS-Undercoveragenten ermordet und Til Schweiger spielt einen Uhrmacher.

2017: Kingsman – The Golden Circle (UK / USA 2016), R: Matthew Vaughn, D: Taron Egerton, Julianne Moore. Das Hauptquartier des privaten Spionagering Kingsmen wird von der skrupellosen Poppy zerstört, die mit der Vernichtung der Welt droht.

2017: Die Misandristinnen

(UK / D / DK 2017), R: Bruce LaBruce, D: Susanne Sachße, Kembra Pfahler. In einem Kloster verschanzt arbeitet die Female Liberation Army an der Befreiung der Welt von den Männern, dennoch nimmt sie einen verwundeten Soldaten auf.

2017: Der Geschmack von Leben (D 2017), R: Roland Reber, D: Antje Mönning, Wolfgang Seidenfürst. Auf der Suche nach Lust zitiert der Film ungeschönt das nordrheinwestfälische Landesreisekostengesetz und ist folgerichtig nicht jugendfrei.

2017: Camp – Tödliche Ferien (USA / E 2015), R: Alberto Marini, D: Diego Boneta, Jocelin Donahue. Ein junges Paar betreut ein Sommercamp für Jugendliche inmitten einer zunehmend blutrünstigen Nachbarschaft.

2018: The Strangers: Opfernacht (USA 2017), R: Johannes Roberts, D: Christina Hendricks, Martin Henderson. Maskierte Fremde erschrecken eine Familie in einem Trailer-Park und töten sie.

2019: Lauf Baby (D 2016-18), R: BB Tango/Holger Menzel, D: Holger Menzel, Christiane Dollmann. Der alkoholkranke Schauspieler Elias, derzeit Straßenkünstler, sieht in der Einladung zu einem Casting die Gelegenheit, sich zu rehabilitieren.

Es sei überhaupt nicht ersichtlich, warum sich jemand dadurch in seiner Andacht gestört fühlen kann, dass irgendwo in einem geschlossenen Raum sich Menschen einen vergnüglichen Film anschauen. „Es stört sich ja auch keiner daran, dass Leute in die Kirchen gehen“, sagt Thomsen. „Das kann ja jeder halten, wie ein Dachdecker.“

„The Life of Brian“ ist ein mit Mitteln des Sandalen-Films gestaltetes Biopic des fiktiven Brian: Er wird als uneheliches Kind von Mandy Cohen und dem römischen Zenturio Nixus Minimax in einem Stall bei Bethlehem geboren und infolge von dummen Zufällen und einer religiös-mystischen Grundstimmung der Bevölkerung für einen göttlichen Heilsbringer gehalten. Die römische Herrschaft bewertet ihn deshalb als Aufwiegler und richtet ihn mit zahllosen anderen am Kreuz hin.

Als „aus theologischer Sicht interessant“ bezeichnet selbst eine Sprecherin der Bremischen Evangelischen Kirche den Film, weil er „zum Nachdenken und zur Diskussion über die Bedeutung des Lebens und Leidens Christi anregen“ könne. Manche Fachleute gehen da noch weiter: Selbst bei oberflächlicher Betrachtung sei offensichtlich, dass „Brian zugleich Jesus ist und eindeutig nicht Jesus ist“, stellt der durch seine Forschungen zu den Qmran-Rollen berühmte britische Neutestamentler Philip R. Davies klar. Dieser Kunstgriff habe „Wurzeln, die in die Grundlagen des Christentums selbst zurückreichen“. Folgerichtig regt er an, „The Life of Brian“ als „theologischen Text“ zu lesen.

Trotzdem wird in Deutschland meist davon ausgegangen, dass eine Kinovorführung von „Das Leben des Brian“ an Karfreitag einen Verstoß gegen die Stille Feiertage-Gesetze der Länder darstellt. So hatte die Stadt Bochum gegen die Gruppe „Religionsfrei im Revier“ Bußgeldbescheide erlassen, mal über 1.000, mal über 300 Euro: Sie hatte, an Karfreitag, „Das Leben des Brian“ gezeigt.

Statt zu zahlen, legte die Ini Rechtsmittel ein: Nachdem sich das örtliche Amtsgericht und danach das Oberlandesgericht Hamm mit dem Karfreitagsspaß auseinandergesetzt hatten, beschloss das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2017 allerdings, den Vorgang nicht zur Entscheidung anzunehmen – sehr zum Ärger der Religionsbefreiten.

Die Verbote gelten nur fürs Kino: Im TV sind Ablachkomödien, Softporno und Splatter-Movies an Karfreitag genauso erlaubt wie immer. Die Einschätzung, welche öffentlichen Filmvorführungen dem Ernst der Feiertagslage nicht angemessen sind, bleibt dabei willkürlich: Zwar verweist der Innensenator auf eine von den PrüferInnen der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) „seit 1952“ aufgestellte „Liste mit inzwischen über 700 Filmtiteln“. Die ist allerdings unzuverlässig: „Es gibt auf dieser Liste jeden nur erdenklichen Fehler“, so FSK-Geschäftsführer Stefan Linz.

Versehentlich draufgerutscht sind feiertagsfreie Filme wie „Heidi“ und „Mary Poppins“. Filme ohne Freigabe wurden versehentlich nicht erfasst. Und gar nicht registriert sind Streifen, für die nie eine beantragt wurde, „weil in der geplanten Kinolaufzeit keine Feiertage liegen“, wie Linz erklärt.

Gut lässt sich das an der Softporno-Reihe „Schulmädchenreport“ beobachten. So steht von der nur deren 13. Folge auf der Liste. In Wirklichkeit sei aber auch für die Nummern 1 bis 3 eine Feiertagsfreigabe „vom Prüfausschuss abgelehnt“ worden, so Linz, weil „die 'dargestellten sexuellen Situationen’ als ,feiertagsstörend’ eingeschätzt wurden“.

„Das Leben des Brian“, Paradox, Bernhardstraße 12, Freitag 19. April., 19 Uhr

Keine Handhabe bietet die FSK-Liste indes gegen die Folgen 4 („Was Eltern oft verzweifeln läßt“) bis 12 („Junge Mädchen brauchen Liebe“): Für die „wurde keine Feiertagsfreigabe beantragt“ und folgerichtig „keine diesbezügliche Entscheidung durch die FSK getroffen“. Hier muss nun die Behörde kraft ihrer filmwissenschaftlichen und theologischen Kompetenz einschreiten – oder es lassen: Der Senator sieht sich nämlich als „zuständige Stelle in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Filmvorführung erlaubt werden kann oder nicht“. Kriterien: Gibt’s nicht.

Bei der FSK gibt’s welche, aber die sind fließend. Nur die Liste selbst steht fest. So schien den JurorInnen der 1970er-Jahre, noch mehr als die Hälfte der Filmproduktion das „religiöse und sittliche Empfinden“ zu verletzen. Im Jahr 2018 waren es nur noch 0,18 Prozent der Einreichungen. Dem Trend zu weniger Zensur folgend hatte man Monty Python’s „Ritter der Kokosnuß“ bei einer neuerlichen, kostenpflichtigen Überprüfung 1999 trotz Gotteserscheinungen, Grals- und Heiligenwitzchen, anders als beim Kinostart, auch für Karfreitag abgesegnet. Für „Leben des Brian“ wurde kein entsprechender Antrag gestellt.

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