editorial
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Noch 20 Tage, bis Europa wählt. Welches Europa? Das Europa, das Sie gut kennen oder zu kennen glauben? Das Europa, das Sie nie infrage gestellt haben, aber das andere neuerdings infrage stellen? Oder das Europa, das Sie ärgert, das sprachliche und bürokratische Verwirrung stiftet? Ein Europa, das nicht europäisch genug sein kann? Was gewählt wird, ist kein europäisches Parlament, sondern das der Europäischen Union – inklusive Großbritannien.

Wir haben die Wahl. Und es wird selbstverständlich eine, die nur ein kleineres Übel zum Ausdruck bringt. Wahlen sind nie dafür da, dass eine*r seine*n oder ihr*en persönlichen Wunschkatalog erfüllt bekommt. Wahlen markieren Kompromisse, individuelle und gesellschaftliche. Die Menschen haben die Wahl. Zwischen einem Europa, das den nationalistischen Ansprüchen genügt – was der Zerstörung der EU gleichkäme. Oder einem Europa, das in Brüssel eine proeuropäische Mehrheit haben kann – liberal, ökologisch und sozial.

Die taz beginnt heute mit ihrer besonderen europäischen Berichterstattung. Täglich sechs Seiten, von Montag bis Samstag – und online auf www.taz.de sowieso rund um die Uhr. Wir wollen mit Ihnen, unseren Leser*innen, um unsere Perspektiven für Europa streiten, wenigstens: feilschen. Wir als taz-Europa-Team glauben: Die EU ist eine politische Union, die in vielerlei Hinsicht Kritik verdient – eine präzise Kritik, um ihre Mängel sichtbar zu machen und diese beheben zu können.

Europa ist aber in unseren Augen mehr als die Europäische Union. Wir wollen in den nächsten 20 Tagen unseren Blick auch auf das Unbekannte, das Besondere und Abwegige auf unserem Kontinent lenken. Das vertieft den Blick für das, was in Europa Sache ist und auf dem Spiel steht. Nur noch knapp drei Wochen. Jede Wahlabstinenz nützt nur den Rechten.

Jan Feddersen, Sabine Seifert