Hauptversammlung von Bayer: Klatsche für den Vorstandschef

Nach dem Monsanto-Debakel verweigern die Aktionäre die Entlastung des Bayer-Vorstands. Die Zukunft von Werner Baumann ist ungewiss.

Ein Mann, Werner Baumann, an einem Pult, sowie Silhuetten

Nicht entlastet: Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG Foto: dpa

BOCHUM taz | Mit einem historisch einmaligen Misstrauensvotum haben die Aktionäre der Bayer AG dem Vorstand rund um Bayer-Chef Werner Baumann die Entlastung verweigert. Bei der Hauptversammlung des Chemieriesen in Bonn stimmten am späten Freitagabend 55,5 Prozent der Investoren gegen das Top-Management. Baumann ist damit der erste Vorstandsvorsitzende eines im Deutschen Aktien-Index Dax gelisteten Konzerns, dem die Aktionäre das Vertrauen entzogen haben.

Hauptgrund dafür ist der von Baumann federführend vorangetriebene Kauf des umstrittenen US-amerikanischen Chemie- und Biotechnikkonzerns Monsanto. 63 Milliarden Euro hat Bayer für den Kokurrenten bezahlt. Doch Bayers Aktienkurs ist seitdem um rund 40 Prozent gefallen. An der Börse ist der Konzern aus Leverkusen heute noch etwa 57 Milliarden Euro wert – und damit etwa so viel, wie Monsanto gekostet hat. Für den Markt ist der Neuerwerb damit nichts anderes als ein riesiges Risiko mit einem Wert von Null.

Denn Monsanto produziert das weltweit meistverkaufte Pestizid Glyphosat, dass die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO schon 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Eingekauft hat sich Bayer damit Prozessrisiken in Milliardenhöhe: Allein in den USA klagen bereits 13.400 Menschen gegen Bayer, sie machen den Konzern für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. In zwei Fällen haben Jurys Klägern erstinstanzlich bereits Schadenersatz von jeweils rund 80 Millionen Dollar zugesprochen.

Die Hauptversammlung glich deshalb in weiten Teilen einem Tribunal gegen Baumann. „Nie zuvor hat ein Dax-Konzern Reputation und Wert so schnell eingebüßt. Das ist eine Schande“, kritisierte etwa Mark Tümmler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Vertreter großer Fondsgesellschaften wie Union Investment oder Deka forderten die Nicht-Entlastung des Vorstands.

Insektizide fürs Bienensterben verantwortlich

Gehört wurden aber auch Stimmen, die auf dem Ticket kritischer Aktionäre an dem Treffen teilnehmen konnten: Als Sarah Schneider von der kirchlichen Hilfsorganisation Misereor kritisierte, Bayer mache mit in Europa längst verbotenen Pestiziden Profite in Entwicklungsländern, waren die rund 3.600 Aktionäre im Saal extrem still. Lena Michelsen von der entwicklungspolitischen Organisation Inkota klagte, der Konzern wolle Landwirte mit genmanipuliertem Saatgut von sich abhängig machen. Und Imker machten Bayers Insektizide für das Bienensterben verantwortlich.

Im angelsächsischen Raum gilt schon der Verlust des Vertrauens von mehr als 20 Prozent der Investoren als Rücktrittsgrund für einen Vorstandschef.

Die Zukunft von Bayer-Chef Baumann ist jetzt auch wegen dieser selbst von Großaktionären beklagten „Reputationsrisiken“ unklar. Rechtlich hat die Nicht-Entlastung des Vorstands allerdings keine unmittelbaren Folgen. Auch der von den Aktionären im Gegensatz zum Vorstand entlastete Bayer-Aufsichtsrat sprach Baumann noch in der Nacht das Vertrauen aus.

Bislang steht der Aufsichtsratsvorsitzende und Baumann-Vorgänger Werner Wenning fest zu seinem Vorstandschef: Das Kontrollgremium werde die Nicht-Entlastung „zum Anlass nehmen, den Bayer-Vorstand dabei zu unterstützen, das Vertrauen der Aktionäre und weiterer Stakeholder in das Unternehmen und seine Strategie schnellstmöglich und vollständig wieder zurückzugewinnen“, ließ Wenning erklären.

Andererseits: Im angelsächsischen Raum gilt schon der Verlust des Vertrauens von mehr als 20 Prozent der Investoren als Rücktrittsgrund für einen Vorstandschef. Und bei der Deutschen Bank kündigten die Co-Vorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen 2015 ihren Rücktritt an – entlastet worden waren sie wenige Wochen zuvor nur mit 61 Prozent.

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