Erst Debatte, dann Ablösung

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer äußert sich mehrdeutig zu der Frage, ob und wann sie antritt, um Angela Merkel als Kanzlerin zu beerben. Die Frage ist, was sie unter einem „mutwilligen Wechsel“ versteht

Es ist immer noch das Parlament, das sich seine Regierungschefin wählt

Aus Berlin Anja Maier

Dass Annegret Kramp-Karrenbauer nicht vorhat, Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu vertreiben, hat sie schon mehrfach erklärt. Es ist ja schließlich immer noch das Parlament, das sich seine Regierungschefin wählt. Aber irgendwann wird die Vorsitzende der CDU ihren Machtanspruch anmelden müssen, wenn sie zur nächsten Bundestagswahl 2021 als Kanzlerkandidatin der Union antreten will – es fragt sich nur, wann.

Der Welt am Sonntag gegenüber hat Annegret Kramp-Karrenbauer nun in einem Interview versichert, dass sie keineswegs auf eine vorzeitige Ablösung von Angela Merkel im Kanzleramt hinarbeite. „Die Kanzlerin und Regierung sind für die ganze Legislaturperiode gewählt, und die Bürger erwarten zu Recht, dass sie die Verpflichtung, die mit dieser Wahl einhergeht, ernst nehmen“, sagte Kramp-Karrenbauer. Und weiter: „Ich als Vorsitzende der Regierungspartei tue das jedenfalls. Ich kann also für mich ausschließen, dass ich auf einen mutwilligen Wechsel hinarbeite.“

„Mutwilliger Wechsel“ ist eine aparte Wortwahl bei dem sensiblen Thema. Mutwillig, das klingt nach Gewalt und Druck; im guten Verhältnis zwischen Kramp-Karrenbauer und Merkel gilt derlei als ausgeschlossen. Die beiden tauschen sich nahezu täglich aus, Kramp-Karrenbauer ist bekanntlich Merkels Wunschnachfolgerin als Parteivorsitzende. Auf die Frage, ob sie also ausschließe, vor 2021 Kanzlerin zu werden, antwortet die Saarländerin leicht verrätselt: „Der entscheidende Punkt ist: Wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, finden wir dann in dieser Koalition die gemeinsamen, notwendigen, neuen Antworten darauf?“

Über diese Frage werde die CDU auf ihrer Klausurtagung kurz nach der Europawahl Ende Mai diskutieren. Das Treffen sei der Beginn eines auf ein Jahr angelegten Diskussionsprozesses. An dessen Ende stehe im Spätherbst 2020 der Programmparteitag. „Und auf diesem Parteitag entscheiden wir auch über den Kanzlerkandidaten oder die Kanzlerkandidatin für das Wahljahr 2020.“

Kramp-Karrenbauers Hinweis auf die „Rahmenbedingungen“ könnte Verschiedenes bedeuten. Zum einen, dass Merkel doch vor dem Ende der Legislaturperiode das Kanzleramt räumt. Zum zweiten, dass die SPD die im Koalitionsvertrag verankerte Revisionsklausel nutzt, um aus der Großen Koalition auszusteigen. Dies hätte wohl Neuwahlen zur Folge. Zum Dritten, dass Annegret Kramp-Karrenbauer im Rahmen einer Kabinettsumbildung schon mal vorsorglich in die Regierung wechselt.

Für ihre Bekanntheit und den fälligen Ausbau ihrer politischen Macht auch in der Bundestagsfraktion wäre letztere Variante sehr hilfreich. Dennoch antwortete Annegret Kramp-Karrenbauer auf die entsprechende Nachfrage, sie wolle sich bekanntlich auf die Parteiarbeit konzentrieren. „Ich sehe keinen Anlass, warum ich von einer Grundsatzentscheidung abweichen sollte.“ Ein Nein klingt zwar anders – ein Ja aber eben auch.