Nahe an der Perfektion

Manchester City verteidigt in einem epischen Wettstreit mit dem FC Liverpool seinen Meisterschaftstitel. Nächste Saison will Pep Guardiola in seinem Team einiges verändern, um noch besser zu werden

Bis nächstes Jahr! Mit Pep Guardiola wird zu rechnen sein Foto: reuters

Aus London Hendrik Buchheister

Als er nach dem letzten Ligaspiel der Saison noch einmal aus der Kabine kam und eine Ehrenrunde drehte mit seinen Profis und ihren Familien, da konnte Jürgen Klopp schon wieder lachen. Die Fernsehkameras fingen ihn dabei ein, wie er seine schwarze Mütze vom Kopf zog, als eine Art Ehrerbietung vor dem Publikum an der Anfield Road, und sich mit der Hand auf die Brust klopfte. Mit der Geste zeigte er seinen Stolz auf das Erreichte, auch wenn die Saison für den FC Liverpool ohne den Preis zu Ende ging, den er so sehr herbeisehnt. Ohne die erste Meisterschaft seit fast 30 Jahren.

Das letzte Kapitel dieses epischen Titelrennens hatte keine Wende mehr gebracht, kein Wunder wie Liverpools 4:0 unter der Woche gegen den FC Barcelona. Zwar gewann Klopps Klub 2:0 gegen die Wolverhampton Wanderers, doch der Sieg hatte keine Bedeutung, weil Manchester City die abschließende Prüfung bei Brighton & Hove Albion bestand – 4:1 nach 0:1 – und als erster Verein seit zehn Jahren mit Erfolg den englischen Meistertitel verteidigte. Bei einem solchen Kontrahenten, ausgestattet mit den Öl-Millio­nen aus Abu Dhabi und getrimmt von Trainer Pep Guardiola, müsse man „sehr, sehr nahe an der Perfektion“ sein, um eine Chance auf die Meisterschaft zu haben, sagte Klopp. Sein Team war sehr, sehr nahe dran.

Liverpool schloss die Saison mit 97 Punkten ab. Das hätte in der Geschichte der Premier League nur zweimal nicht zum Titel gereicht, nämlich im vergangenen Jahr und in diesem. Als schicksalhaft sollten sich die einzige Niederlage der Saison bei Manchester City und ein Durchhänger mit vier Unentschieden in sechs Spielen erweisen, als Liverpool einen Sieben-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze hergab.

Es wäre allerdings falsch, den Ausgang des Meisterrennens als ungerecht zu werten. Guardiolas Mannschaft schaffte es, ihrer makellosen Vorsaison eine beinahe ebenso herausragende Spielzeit folgen zu lassen, und das über weite Strecken ohne ihren wohl besten Mann Kevin De Bruyne. Anders als in der abgelaufenen Spielzeit musste sie sich eines hartnäckigen Konkurrenten erwehren und tat das mit Erfolg. Seit Anfang Februar gab Manchester City keinen Punkt mehr ab und streute zuletzt ein paar Siege ein, die nicht Guardiola-typisch erspielt wurden, sondern erkämpft. Der Trainer hat jetzt acht nationale Meistertitel gewonnen. Drei mit Barcelona, drei mit dem FC Bayern, zwei mit Manchester City. Keine davon war aus seiner Sicht so schwer zu erringen gewesen wie diese. „Wir müssen uns bei Liverpool bedanken. Sie haben uns geholfen, unsere Standards zu heben“, sagte Guardiola.

Sie haben uns geholfen, unsere Standards zu heben“

ManCity-Trainer Pep Guardiola bedankt sich beim FC Liverpool

Vermutlich wird es nächste Spielzeit ähnlich eng zugehen. Guardiola möchte seine Mannschaft noch besser machen. Nach dem Finale im FA-Pokal gegen den FC Watford am Samstag will er mit Vorstand Ferran Soriano und Sportchef Txiki Begiristain über die Transferpläne für den Sommer sprechen. Die Innenverteidigung ist eine Baustelle, ebenso die linke Abwehrseite. Es muss eine Nachfolge-Lösung für den alternden Fernandinho im defensiven Mittelfeld her, außerdem hätte Guar­diola gerne ein paar Spieler im Kader, die größer sind als Raheem Sterling, Bernardo Silva oder David Silva. Bei jedem Freistoß und jeder Ecke würde er wegen seiner eher kleinwüchsigen Truppe “in die Kirche gehen und beten“, gestand Guardiola nach dem Sieg in Brighton.

Beim FC Liverpool herrscht Aufbruchstimmung. Für die Klubbesitzer der Fenway Sports Group und für Klopp ist klar, dass die Vizemeisterschaft nicht des Ende der Titelambitionen bedeutet, sondern der Anfang einer großen Geschichte sein soll. „Dieser Verein hat den besten Moment seit langer, langer Zeit. Das wird nicht enden, nur weil eine Mannschaft einen Punkt besser war. Wir werden weitermachen und sehen, was wir dafür bekommen“, sagte der Trainer. Und vielleicht wird Klopps Team doch noch belohnt mit einer Trophäe – nämlich mit dem Gewinn der Champions League im Finale von Madrid gegen Tottenham Hotspur.