das portrait
: Das „Kampfschwein“ Marc Wilmots soll dem Ajatollah auf dem Platz helfen

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Von Marc Wilmots stammt der Satz: „Wir Belgier sind sehr flexibel.“ Hintergrund der Aussage waren die kulturellen Unterschiede, die er bei seinen Stationen als Fußballprofi in Frankreich und Deutschland erlebt hat. Am Mittwoch nun wurde er zum Trainer der iranischen Fußballnationalmannschaft berufen. Nach Gelsenkirchen und Bordeaux geht es jetzt also nach Teheran. Sein Arbeitsauftrag ist klar: Der 50-Jährige soll das iranische Team erfolgreich durch die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2022 nach Katar führen. Ob alle belgischen Trainer ein solches Angebot angenommen hätten, ist eher zu bezweifeln. Wilmots jedenfalls tritt den ultimativen Beweis an, dass er wirklich sehr flexibel ist.

Angesichts der politischen Verfasstheit des Iran, wo seit vielen Jahren eine religiöse Militärdiktatur herrscht, bedarf es für den Nationaltrainerjob, der immer auch eine repräsentative Komponente hat, in der Tat eines hohen Grades an Anpassungsfähigkeit. Wilmots ist jedoch natürlich nicht der Erste, der sie aufbringt. Der iranische Fußballverband hat schon öfter auf ausländische Trainer gesetzt. Belgier waren bislang nicht darunter, die letzten acht Jahre betreute der Portugiese Carlos Queiroz die Mannschaft. Auch der Deutsche Erich Rutemöller saß einmal interimshalber auf der Bank, nachdem er zuvor als Berater des einheimischen Trainers Ali Daei gearbeitet hatte.

Bis vor Kurzem war auch Winfried Schäfer als Vereinscoach bei Esteghlal Teheran angestellt. Gemein ist all diesen Herren, die von Sportmagazinen gern auch „Abenteurer“ genannt werden, dass sie auf dem europäischen Markt meist nicht mehr gefragt sind. Ein Umstand, der auf den neuen iranischen Nationaltrainer Wilmots ebenfalls zutrifft. Nachdem er mit dem belgischen Nationalteam und seiner „goldenen Generation“ bei der WM 2014 und EM 2016 frühzeitig scheiterte, wurde er als Auswahlcoach der Elfenbeinküste 2017 bereits nach einem halben Jahr entlassen. Seither ist er ohne Job, was seine Flexibilität ebenso gesteigert haben dürfte.

Als einen Mann ohne politischen Ehrgeiz darf man den Belgier indes nicht schimpfen. Von 2003 bis 2005 saß Wilmots als Abgeordneter der liberalen Partei Mouvement Réformateur im belgischen Senat. Zu seinem Ausstieg aus dem Politikbetrieb sagte er damals: „Es ging nichts vorwärts. Deshalb habe ich mich aus der Politik wieder zurückgezogen.“ In Iran gäbe es so einiges zu reformieren und nach vorne zu bringen, selbst wenn man sich allein auf den gesellschaftspolitischen Bereich des Fußballs beschränkt. Frauen ist der Zutritt ins Stadion – von einzelnen Ausnahmen zuletzt abgesehen – grundsätzlich untersagt. Selbst Winfried Schäfer hat das gegen Ende seiner zweijährigen Amtszeit kritisiert.

Wilmots hat sich in seiner Karriere mit seinem Durchsetzungsvermögen einen Namen gemacht. In seiner Heimat nannte man ihn „Stier von Dongelberg“, und auf Schalke bekam er den Ehrentitel „Willi, das Kampfschwein“. Dieser Mann kann eines also ganz bestimmt auch: unbequem sein. Johannes Kopp