Niki Lauda war

In der Nacht auf Dienstag ist der legendäre österreichische Rennfahrer im Alter von 70 Jahren gestorben. Lauda holte drei Weltmeistertitel in der Formel 1, zweimal gründete er eine eigene Fluglinie, sogar einen Spielfilm gibt es über ihn. Lauda war stets „mehr als nur …“. Ein Nachruf in Facetten

Niki Lauda 1977 beim Großen Preis der US-­Ostküste im Bundesstaat New York Foto: ap/picture alliance

… Italiener, eigentlich

„Ein Champion ist gestorben“, schreibt der Corriere della Sera über den Tod Laudas – und zeigt dazu ein Bild von Lauda und Michael Schumacher, mit ferrariroten Mützen, vertraut im Gespräch. Man muss den Formel-1-Unsinn weiß Gott nicht lieben, um zu konstatieren, dass Niki und Schumi wahrscheinlich mehr dazu beigetragen haben, das Verhältnis der Italiener zu ihren Nachbarn im Norden zu verbessern, als alle österreichischen Kulturforen respektive Goethe-­Institute zusammen.

Dass wir hier Österreich und Deutschland in Beziehung setzen hat natürlich keine imperialistischen Piefke-Gründe. Österreich, das bis 1866 weite Teile des italienischen Stiefels besetzt hielt, ist eben durchaus als „deutsche“, als unterkühlt-rationale und barsche, jedenfalls nordisch-fremde Macht im historischen Gedächtnis der Italiener verwurzelt. Wenn also die führende Zeitung Italiens vom „Champion“ spricht, dann ist das nicht bloß Respekt. Denn Respekt, so fasst es ein Sprichwort, hätten die Italiener zwar für il mondo germanico, für die Welt im Norden. Aber keine Liebe.

Für Lauda und Schumacher aber schon. Dass diese beiden Piloten aus nie ganz frostfreien Gegenden für Ferrari fuhren und mit Ferrari Triumphe erlangten, ist unvergessen. Lauda, schreibt der Corriere, sei einer der beliebtesten und populärsten Fahrer gewesen, berühmt auch für seine Kunst der „battuta“ – der schnell rausgehauenen, treffenden Pointe.

Und doch, ganz ohne das Automatenbild geht es wohl nicht zwischen Süden und Norden. „Wir haben ihn lange für eine Art Computer-Fahrer gehalten, einen Roboter“, beginnt der Nachruf auf Niki Lauda bei La Repubblica. Aber wie sehr habe man sich getäuscht, der Mann sei pure Improvisation gewesen, spontan, wagemutig, witzig, kurz: ein Italiener eigentlich, jedenfalls ein Ferrarista. „Immer in unsren Herzen“, heißt es dann auch im offiziellen Statement-Tweet aus der roten Zentrale in Maranello. Ambros Waibel

… ein Typ, aus dem man Geschichten macht

Er wurde zu einer Ikone durch die Macht der Bilder

Was hatte dieser Lauda, dass er einfach im Gedächtnis blieb? Irgendwann war er beinahe ein Synonym für Rennsport. Und das noch 35 Jahre nach seinem letzten Weltmeistertitel, auf diese verzerrte Art und Weise, mit der nachfolgende Generationen jemandem huldigen, den sie nie haben fahren sehen.

Viele sind häufiger Weltmeister geworden, viele waren, nun ja, zugänglicher. Aber als Kinder, wenn wir im Familienwagen gen Urlaub fuhren und „Rennen“ gegen die anderen Autos spielten, fuhr bei uns immer Niki Lauda mit. Er war der Rennfahrer. Wer in den Neunzigern blöderweise Niki hieß, wurde Niki Lauda gerufen; auch Kindern war er ein Begriff. Immer verbunden mit der gedämpften Bemerkung irgendeines Erwachsenen: „Niki Lauda, stimmt, der hatte doch diesen schrecklichen Unfall.“

Der Crash 1976 hat Lauda zu der Marke gemacht, die er bis heute geblieben ist. Er wurde zur Ikone durch die Macht der Bilder und durch die mediale Sezierung eines Ereignisses. Katastrophen schaffen Helden. Und Lauda, der die Katastrophe überlebte und sich zurück zum Weltmeistertitel kämpfte, das war die wirksamste aller Geschichten. Eine beinahe literarische Figur ist er gewesen, der Charismatiker, der Grantler, der Bodenständige mit dem schwarzen Humor, viel mehr als ein Michael Schumacher oder ein Sebastian Vettel es sein werden. Einer, über den man auch im Jahr 2013 noch einen (sehr sehenswerten) Spielfilm drehen konnte, „Rush“, der Lauda als störrischen Einzelgänger und als Widersacher des Playboys James Hunt zeigt. Dass vieles davon überspitzt und manches unwahr ist, störte kaum jemanden. Einen Lauda muss man ja fast überspitzen. Es störte auch nicht Lauda selbst. Der wunderte sich nur, dass irgendjemand einen Film über so ­etwas Unwichtiges machte.

Alina Schwermer

… als Unternehmer hoch oben, dann ebenso tief unten

So sehr Niki Lauda als Formel-1-Rennfahrer gefeiert wurde – sehr viel länger war er zeit seines Lebens Unternehmer in einem Bereich, für den er ebenfalls brannte: der zivilen Luftfahrt.

Noch während er auf dem Nürburgring seine Runden drehte, gründete er mit Lauda Air seine erste eigene Fluggesellschaft. Das war mutig und ein Novum. In Europa waren Fluglinien damals noch weitgehend in staatlicher Hand – und sehr viel teurer.

Lauda wollte Fernreisen etwa nach Thailand oder Hongkong auch für Otto Normaltouristen erschwinglich machen. Und damit nicht genug: Ab und zu flog der begeisterte Pilot die Maschinen selbst. Seine Fluggäste waren begeistert. Lauda war im Bereich der Billigflieger ein Pionier.

Als 1991 wegen einer technischen Panne eine Lauda-Air-Maschine in Thailand abstürzte und dabei alle 223 Passagiere ums Leben kamen, fand sein bis dahin viel gefeiertes Geschäftsmodell ein Ende. Obwohl sich später herausstellte, dass der ­Hersteller Boeing schuld am Absturz war – das Vertrauen in Lauda Air war dahin. Lauda musste seine ­Maschinen nach und nach verkaufen.

Auch sein zweiter Versuch einer eigenen Fluggesellschaft hatte dann keinen Erfolg mehr. 2003 übernahm er die insolvente Aero Lloyd, die er in „Niki“ umbenannte. Als Miteigentümer holte er Air Berlin an Bord, ­damals noch nicht ganz so arg in den roten Zahlen. 2011 stieg Lauda aus.

Nach der Pleite von Air Berlin versuchte er seine einstige Fluglinie vor der Zerschlagung zu retten und kaufte sie zurück. Die Linie firmiert seitdem unter dem Namen „Laudamotion“. Inzwischen gehört sie dem irischen Billigflieger Ryanair.

Verschiedenen Schätzungen zufolge brachte es Lauda zwischenzeitlich auf ein Vermögen von rund 200 Millionen Euro. Dieses Vermögen dürfte abgeschmolzen sein. Zumindest an einer Handvoll Maschinen steht der Name „Lauda“ aber noch. Felix Lee

… selbstbewusst, und zwar extrem

Niki Lauda hatte ein seltsames Talent, die großen Katastrophen seines Lebens mit Krisen der Republik zu synchronisieren. Am 1. August 1976, am selben Tag, an dem Lauda auf dem Nürburgring verunglückte und aus dem brennenden Formel‑1-Boliden gerettet wurde, stürzte in Wien die Reichsbrücke ein, die dort über die Donauinsel hinwegführt. Nun platzt die Nachricht von Laudas Tod mitten in einen politischen Ausnahmezustand in Österreich, dessen Ausgang ungewiss ist.

Lauda, wahrscheinlich der international bekannteste zeitgenössische Österreicher, hat in seinem 70-jährigen Leben diverse Schicksalsschläge erlebt. Der Spross einer Wiener Indus­triellenfamilie hätte wahrscheinlich als Playboy ohne Geldsorgen leben können, hätte er nicht früh seine Leidenschaft für den Motorsport entdeckt. Ausgestattet mit einer Überdosis Selbstbewusstsein, kaufte er sich auf Kredit in die Rennsportszene ein, saß schon mit 22 Jahren im Cockpit eines Formel-I-March-Ford und wurde bald von Enzo Ferrari entdeckt.

Seine finanziellen Forderungen für den Wechsel des Rennstalls – umgerechnet rund 220.000 Euro – stießen, wie Lauda später gerne erzählte, zunächst auf Unverständnis: „Dann hat er mich gefragt, ob ich deppert bin.“ 1975 wurde er mit Ferrari erstmals Weltmeister. Nach seinem zweiten Titel 1977 stieg er zum bestverdienenden Rennfahrer seiner Zeit auf. Dazwischen lag der Unfall, der jede anderen Karriere wahrscheinlich beendet hätte. Niki Lauda saß 42 Tage später aber schon wieder im Cockpit und wurde 1976 zumindest Vize­weltmeister.

Nach dem dritten Titel verkündete er, es sei ihm zu blöd, „weiter „im Kreis zu fahren“, kehrte dem Rennzirkus den Rücken, machte den Pilotenschein und gründete 1979 die Lauda Air, die vorwiegend Urlaubsdestinationen anflog. Insgesamt sollten es vier Airlines werden, die er schuf und wieder verkaufte. Darunter Fly Niki und zuletzt Laudamotion.

Den 26. Mai 1991, als 213 Passagiere und die zehnköpfige Crew einer Boeing 767 bei einem Absturz über Thailand ums Leben kamen, sah Lauda als „schwärzesten Tag“ in seinem Leben. Schuld war, wie die Untersuchung ergab, ein Konstruktionsfehler. Lauda, der sich gerne selber ans Steuer setzte, überlebte die Katastrophe auch als Geschäftsmann. Als Berater, Teamchef und Kommentator kehrte er später in die Formel 1 zurück.

Von Journalisten wurde er zu allem und jedem um seine Meinung gefragt – er hätte zweifellos auch zur gegenwärtigen Regierungskrise seinen Senf abgegeben. Seine Prominenz empfand er jedoch als Last: „Das Problem ist, dass du ununterbrochen unter Beobachtung stehst. Irgendwo zu sitzen und theoretisch Nasenbohren, das kannst vergessen“.

Niki Lauda lebte mit zwei Spendernieren, vergangenen Sommer unterzog er sich einer Lungentransplantation – alles Spätfolgen seines Unfalls. Seither ließ er sich kaum mehr in der Öffentlichkeit blicken. In der Nacht auf Dienstag ist er im Kreis der Familie gestorben. Ralf Leonhard